Archive for Mai, 2010

Ernesto

Freitag, Mai 14th, 2010

Auferstehung
Georg Kolbe, 1933/34

Eines Tages kam [Ernesto] zufällig vor das Portal einer Kirche, wo sich auf erhobenen Sockel eine in Stein gemeißelte Frauenfigur befindet. … Er betrachtete sie und schien sich nicht mehr von ihr trennen zu können, so sehr gefiel sie ihm.
„Dieses Antlitz“, sprach er, „ist ebenso hold wie ernsthaft, ebenso achtungsgebietend wie anziehend. Schade, dass es nicht lebt; aber lebt es denn nicht? Doch das tut es.“ Es schien, er habe nun seine Geliebte gefunden, und in der Tat stellte er sich von da an täglich um dieselbe Stunde vor dem Idealbild ein, Gespräche mit ihm führend, als könnte es reden, und gäbe ihm Antwort. „Was ich an dir schön finde“, sagte er, indes er so nah wie möglich vor sie hinstand, die ihm begreiflicherweise keine Achtung schenkte, „ist die ruhende Beständigkeit. Stets bist du dieselbe. Von welcher anderen Frau, so liebenswürdig sie sein mag, läßt sich dies sagen? Blick ich dich an, so hab‘ ich nie den unangenehmen Eindruck, ich sei dir lästig, du lässt dir mein Forschen mit großartiger Gelassenheit gefallen. Wie sind dein Gewand und deine Körperhaltung edel. Ich liebe dich in jeder Beziehung, obschon ich eigentlich den loben sollte, der dich schuf, aber dein Anblick lässt mich vergessen, dass du ein Kunstgegenstand bist; es ist mir, als kenntest du mich und sähest mich gern. Verzeih die Aufdringlichkeit dem Liebebedürftigen.“
(aus: Robert Walser: Ernesto – mehr in: Feuer, Suhrkamp 2003)

Michael Schoenholtz

Donnerstag, Mai 13th, 2010

Michael Schoenholtz im Georg-Kolbe-Museum

Schoen

Schoenholtz in den Kunstspaziergängen (hier und hier) und in meiner Fotosammlung

Besuch in Rom IV
Besuch in Rom IV, 1998 (steht in Duisburg im Kantpark)

Besuch in Rom IV

Neues vom Mond

Mittwoch, Mai 12th, 2010

So müßte einem Menschen zu Mute sein, dem der Mond in den Garten gefallen ist und dort wie eine große gelbe Quitte auf dem Rasen liegt.
(Heimito von Doderer, Die Strudlhofstiege)

Viertelmondträgerin
Trak Wendisch, Viertelmondträgerin, 2000

Doch selbst der Mond mit seinem zerdellten Gesicht wollte mich, so kam es mir in dieser Nacht vor, aus der Ferne mit seiner Fratze verhöhnen und mir verkünden, jetzt sei auch ich – wie er in der Einsamkeit des Alls – auf mich alleine zurückgeworfen.
(Karl-Heinz Ott, Endlich Stille)

Die Wolken hatten sich etwas verzogen und ließen dem Monde Raum, sein goldgelbes, fast zehrendes Licht auszugießen.
(Karl Ferdinand Gutzkow, Die Ritter vom Geiste)

Viertelmondträgerin

… – und lachte dreckig, als eine beflissene Bö ihren über die Stange hinausgereckten Hintern entblößte, der im weißlichgelben Laternenlicht aufleuchtete, fast so bleich wie der greise Fötusschädel des Mondes hoch über uns, dessen Abbild im Wasserspiegel – fünfzig Meter tief unter uns – gleichzeitig lautlos zersplitterte.
(Frank Schulz, Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien)

Feucht, in Dunst gehüllt, strampelte sich der Mond in einer Ecke des Himmels nach oben.
(Douglas Adams, Mach’s gut und Danke für den Fisch)

.. und als ich die Spatzen von einem schwingenden Ast zum anderen flattern sah und den Mond, der so ungeduldig war, dass er bereits am Tage seine einzige weiße Blüte geöffnet hatte …
(Miklós Szentkuthy, Apropos Casanova)

Unterwegs im Ruhrgebiet (12)

Dienstag, Mai 11th, 2010

Die größte begehbare Camera Obscura der Welt steht in Mülheim an der Ruhr.

Camera Obscura

Loch. Wir bohren ein Loch in unseren Fensterladen, wie das bereits vor mehr als vierhundert Jahren der berühmte Leonardo da Vinci tat. Wenn nun der Lichtstrahl durch dieses Loch auf die Wand fällt, dann sehen wir dort ein deutlich verkleinertes Bild der Häuser und Bäume. Das sind Tatsachen, die durch kein auch noch so geschicktes Hinwegsehen aus der Welt zu schaffen sind.
(Ror Wolf in Tranchirers letzte Gedanken …)

Camera Obscura 1

Unterwegs im Ruhrgebiet (11)

Montag, Mai 10th, 2010

Robert Schad in Marl

Merlak

Merlak

Seit 1986 ist industriell gefertigter und normierter Vierkantstahl das Material des Bildhauers Robert Schad. Der Querschnitt des Stahls ist von ihm so gewählt, dass man ihn gerade noch mit der Hand fassen kann. Aus diesem Rohmaterial gestaltet der Bildhauer seine filigran und bewegt wirkenden Skulpturen, die die materielle Schwere des Stahls vegessen lassen.
Ihren Ursprung haben die Skulpturen Schads in meist schnell gefertigten kleinformatigen Zeichnungen mit denen der Künstler auf den jeweiligen Raum reagiert.
(Text: Skulpturenmuseum Glaskasten Marl)

Wangechi Mutu

Sonntag, Mai 9th, 2010

Wangechi Mutu

Wangechi Mutu in der Deutschen Guggenheim

Die gedankliche Aneignung von und das Nachdenken über Bilder gehen in Mutus Arbeit mit einer körperlichen Erfahrung einher: „Ich glaube, bei Künstlern sitzt das Gehirn in jeder Faser des Körpers, die man bei seiner kreativen Arbeit einsetzt.“ Die Bilder einer entfremdeten Welt transformiert Mutu in ihren Collagen zu etwas Eigenem, indem sie sie berührt, de facto als greifbares Material in Neuschöpfungen „verarbeitet“.

Have you ever really looked at the sun?

Samstag, Mai 8th, 2010

Eine Doppelausstellung von Damien Hirst und Michael Joo in der Rehkeule.

Temple
Damien Hirst, Temple, 2008 (lacquered paint bronze)

Pink Rocinante
Michael Joo, Pink Rocinante, 2009 (Bronze, enamel paint)

Wunderbar

Freitag, Mai 7th, 2010

Sandra Vasquez de la Horra in der Galerie Nolan Judin Berlin

Zeichnung

Nach dem Zeichnen – in der Regel nur mit Bleistift, ganz selten auch mit Farbe – taucht die Künstlerin das Papier in ein Wachsbad. Diese ungewöhnliche Vorgehensweise verleiht den Werken eine seltsame Materialität und dem Strich eine leichte Unschärfe. Das die Zeichnung versiegelnde Wachs erzeugt eine Patina, die Werke wirken zeitlos. Sandra Vásquez de la Horra verwendet altes, bereits gebrauchtes Papier, das sie gerne auf Flohmärkten auftreibt.
(mehr hier)

Frisch renoviert

Donnerstag, Mai 6th, 2010

Malerischer Unfall

Ren4

Ren3

Der Aufgang zur Galerie Johnen ist frisch renoviert von Malermeister Robert Kusmirowski.

Nach der Renovierung

Galerie Gerken

Mittwoch, Mai 5th, 2010

Habisreutinger1

Habisreutinger2

Alexander Habisreutinger in der Galerie Gerken

Alexander Habisreutinger ist Maler und dennoch ist das, was er tut keine Malerei im herkömmlichen Sinn. Was auf einem Gemälde gewöhnlich als satt schimmernde oder matt verschlossene Bildpläne vor Augen steht – die Farbe -, führt in seinen Arbeiten ein raumgreifendes Eigenleben. Diese Eigentümlichkeit beginnt mit der Wahl der vermeintlichen Bildträger, denn es handelt sich nicht um klar begrenzte Leinwände, die sich mit geschlossenem Format selbst aufrichten und derart gefestigt von innen her durch ihren Flächenzusammenhalt tragen. Habisreutinger verwendet hingegen denkbar schlichte Sperrholzplatten. (Christian Malycha, mehr hier)