Zahnlücken

Zahnlücken

Der Zahn
Barthold Heinrich Brockes

Um grössre Schmerzen zu vermeiden,
Entschloß ich mich, daß mir ein Zahn,
Der mir bishero weh gethan,
Würd ausgebrochen, zu erleiden.

Weil aber die Natur bey starken Gliedern
(So ich dem Schöpfer nie durch Dank kann gnug erwiedern)
Auch starke Zähne mir verliehen;
So schien es erst, als ob, ihn auszuziehen
Der kluge Carpser selbst, der an Geschicklichkeit
Kaum seines gleichen kennt, sich etwas scheut’;  allein,
Weil ich darauf bestund, war er dazu bereit.

Ich nahm mir vor, die strenge Pein,
Ohn’ alles Zucken, sonder Schreyn
Beherzt und standhaft auszustehen.

Er setzte drauf den Pelican,
Den ich vorhero wohl besehen,
Mit Kraft und Vorsicht an.

Wir hielten uns im Anfang beyde gut:
Er brach; ich hielte fest, noch fester doch der Zahn.
Er knackt’, ich wiche nicht. Doch endlich war mein Muth
Noch eher, als der Zahn, gebrochen.
Es riß ein gräßliches Gekrach,
Wodurch des ganzen Hauptes Knochen
Zu spalten schien, ein kurz doch kläglich Ach
Mir aus der Brust. Die feurig wilde Pein,
Der bittre Schmerz, durchdrang so Fleisch als Bein,
Dieß splittert, jenes riß, jedoch, zu meinem Leide,
Kein einzigs ganz entzwey;
Der Sehnen Zähigkeit band sie noch alle beyde.

Allein,
Mit welcher Lust nahm ich, bey aller Pein,
Den Ursprung meiner Qual, den nunmehr losen Zahn
Aus Carpsers blutgen Händen an!

(weiter geht es hier bei Zeno.org)

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