Da, als ich selbst schon in meiner Vaterschaft wohnhaft war, geschah es, daß ich für den Sohn eines Verwandten ein Schülerquartier bei guten Bürgersleuten zu besorgen hatte. Der eigenen Jugendzeit gedenkend, schlenderte ich im Nachmittagssonnenscheine durch die Straßen, als mir an der Ecke des Marktes über der Tür eines alten hochgegiebelten Hauses eine plattdeutsche Inschrift in die Augen fiel, die verhochdeutscht etwa lauten würde:
Gleich so wie Rauch und Staub verschwindt,
Also sind auch die Menschenkind.
Die Worte mochten für jugendliche Augen wohl nicht sichtbar sein; denn ich hatte sie nie bemerkt, sooft ich auch in meiner Schulzeit mir einen Heißewecken bei dem dort wohnenden Bäcker geholt hatte. Fast unwillkürlich trat ich in das Haus; und in der Tat, es fand sich hier ein Unterkommen für den jungen Vetter.
(zitiert aus: Aquis submersus)
Das „Aquis submersus“-Haus wurde ca. 1900 abgerissen, aber der Spruch, der über der Tür des alten Ladens angebracht war, ist erhalten und über den Ladenfenstern des modernen Geschäftshauses noch heute zu lesen.
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