Wer zu Fuß geht, sieht anders.
Ein Interview mit dem Spaziergangswissenschaftler Bertram Weisshaar.
Wir überqueren gleich die vierspurige Invalidenstraße, das Gelände dahinter sieht eher unwirtlich aus. Ist das typisch für den Spaziergangswissenschaftler: da loszulaufen, wo andere umkehren würden?
Mir geht es darum, offen zu sein, sich einer Sache zu nähern, ohne schon gleich alles beurteilt zu haben. Im Zug oder im Auto habe ich nur einen kurzen Augenblick, mir die Sache anzusehen. Als Fußgänger habe ich ein anderes Maß der Geschwindigkeit und der Herausforderung. Meine Praxis ist es, Orte aufzusuchen, die eher ungewöhnlich sind; Orte, zu denen der klassische Spaziergang nicht hinführt. In der Regel zeigt sich überall etwas Beachtenswertes. Man spricht ja gern von Sehenswürdigkeit, aber es gibt auch Denkwürdigkeiten, Merkwürdigkeiten.
Vor allem in Berlin.
Sagen wir: Berlin ist eine Stadt der Würdigkeiten. Der Möglichkeiten. Hier kann man Spaziergänge machen, die woanders nicht möglich wären. Und wenn wir in die Literatur schauen, Franz Hessels „Spazieren in Berlin“ aus den Zwanzigerjahren zum Beispiel, dann sehen wir, es gibt eine lange Tradition des Gehens in dieser Stadt.