Vorfreude auf Vedova

In der Berlinischen Galerie wird gegenwärtig eine Retrospektive Emilio Vedovas vorbereitet, die ab 24. Januar zu sehen sein wird.

Das ist Anlass für das Feuilleton der Berliner Zeitung sich vorab auf die Spuren des 2006 verstorbenen Malers in seine Heimatstadt Venedig zu begeben (hier: Der Ungeduldige von Le Zattere von I. Ruthe).

Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis das Wasserboot von der Station Arsenal ablegt und auf die Le Zattere-Seite zusteuert, dorthin, wo auf der malerischen Halbinsel Santa Maria della Salute thront und trotz ihres Baugerüstes zeitlose Schönheit verkündet. Ein Stück geht es durch die engen Gassen hinter der barocken Kirche – Richtung Emporio dei Sali (Altes Salzlager) und vorn am Wasser, am Ponte dell’ Umiltà, reckt sich ein altersschwaches hohes Haus mit oleanderbewachsenem Dachgarten in den kaltblauen Himmel. Hier befindet sich die Stiftung Emilio und Annabianca Vedova.

Seiner Wahlheimat [Berlin] hatte Vedova ein ausladendes Gastgeschenk hinterlassen: Das „Absurde Berliner Tagebuch„, bestehend aus einer gewaltigen Installation – informelle, gestisch abstrakte Malerei auf riesigen Holztafeln.

Absurdes Berliner Tagebuch

Jörn Merkert schreibt in Kunst die in Berlin entstand zu dieser Installation:

Eines der Geheimnisse, warum Venedig so unvergesslich fasziniert, liegt wohl darin, dass der Besucher immer mitten in einem Kunstwerk steht – einem Gesamtkunstwerk, zu dem auch banale Alltäglichkeiten gehören, die als unverbrüchlicher Teil von Kunst und Geschichte in der Gegenwart gelebt werden. Was für ein Kulturschock muss es für Vedova gewesen sein, als Sohn der funkelnden und bröckelnden Serenissima 1964 in Berlin dem »ständigen Zusammenprall gegensätzlicher Situationen« ausgesetzt zu sein, »randvoll mit mancherlei Ängsten, gestern, heute, mit latenten Vergesslichkeiten, voller Mehrdeutigkeit, angefüllt mit anachronistischen Melancholien, überhitzten Antagonismen«: die Ruinenfelder der Stadt, das künstlich erblühende Westberlin, die Mauer, die Erinnerungen. 1960 als Idee für ein Bühnenbild zu Luigi Nonos Oper »Intolleranza« entwickelt, fanden die Plurimi – frei im Raum stehende und hängende wüste Bildtafeln mit explosionsartiger Malerei – in Berlin zu ihrem eigentlichen Sinn. Auch hier steht der Betrachter nicht mehr vor, sondern mitten im Bild. Berlin a la Veneziana.

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One Response to “Vorfreude auf Vedova”

  1. […] grandiose Emilio-Vedova-Retrospektive in der Berlinischen Galerie Sie [Durchdringungen-Übertragungen] entstanden in wenigen Monaten […]

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