Heute eroberten wir spiralförmig den Burgberg (Castelo de São Jorge). Unser Ausflug dauerte sieben Stunden.
In der Geschichte der Sträßchen von Lissabon gab es eine Zeit, in der sich hinter geschlossenen Türen etwas ziemlich Ungewöhnliches zutrug. Die Leute, die sich auf der Straße begegneten, wussten nicht so recht, woher die Seufzer kamen, die eine lärmende Schar, eingeschlossen in vier Wänden, von sich gab. Es ging um ein krankhaftes Bedürfnis, ein Leben zu führen, wie es nur Dichter kennen – ein Spaziergang durch die Parallelwelt der Schlafwandler, die in unsere Zeiten einfielen.
(Claudia Galhos, In den Nebeln des Castelo de Sao George)
Im Reiseführer steht, dass sich die Schauspieler in Lissabon vor einer Aufführung „Viel Scheiße“ (muita merda) zurufen. Wenn früher viele Pferdekutschen vorfuhren, war das Theater gut gefüllt. Die Einnahmen der Theatermacher waren direkt proportional zur Anzahl der Pferdeäpfel auf dem Theatervorplatz.
Bei unseren Spaziergängen durch Lissabon würden wir uns „Wenig(er) Scheiße“ wünschen, dabei geht es heute nicht mehr um Pferdemist, sondern um Hundekacke.
So viele Hundehaufen gibt es nicht mal auf den viel breiteren Fußsteigen in Neukölln.
Die Anzahl der Hundehaufen ist indirekt proportional zur Spaziergangslust.
Wie das hier mit der Müllabfuhr geregelt ist, haben wir noch nicht herausbekommen. An jeder Straßenecke, vor manchen Haustüren stehen Mülltonnen. Daneben liegen Müllsäcke, die immer mehr werden, bis sie plötzlich weg sind. Kommt nachts ein bucklicht Männlein? Natürlich sind die Müllsäcke nicht immer gut verschlossen oder werden auf die eine oder andere Art beschädigt. Der herausquellende Unrat verteilt sich auf den Straßen. Diesen Mist räumt nur der Regen weg, nein, um.
Wir wissen immer noch nicht, wohin mit unserem Müll. Sollen wir ihn auch dem bucklicht Männlein anvertrauen oder dem Regen? Heute hat es zwei Stunden geregnet. Die Straßen glänzen, sind aber nicht sauber.
Obwohl unserer Apartment im Dachgeschoss (5. Etage) sich tagsüber kräftig aufheizt, müssen wir mit geschlossenen Fenstern schlafen. Die Flugzeuge donnern auch nachts über die Altstadt (wir wohnen im Bezirk Baixo Alto), die große Brücke über den Tejo brummt vor sich hin und die Kneipen in unserer Straße haben bis frühmorgens geöffnet. Die Gespräche der angeheiterten Gäste dringen bis in unserer Schlafzimmer vor.
Ich werfe die leere Streichholzschachtel in den Abgrund der Straße, über das Sims meines hohen balkonlosen Fensters. Ich erhebe mich von meinem Stuhl und lausche. Deutlich, als habe dies etwas zu bedeuten, hallt die Streichholzschachtel auf der Straße wider, und ich weiß, sie ist menschenleer. Kein anderes Geräusch ist vernehmbar, nur der Geräuschpegel der Stadt.
(Pessoa, 102)
Ein Sonnenuntergang ist ein intellektuelles Phänomen.
(Pessoa, 75)
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