Abschnitt für Abschnitt lese ich nochmals langsam und hellwach alles, was ich geschrieben habe. Und alles erscheint mir belanglos; es wäre besser gewesen, ich hätte es nicht geschrieben.
(Pessoa, 169)
Posts Tagged ‘Lissabon’
Zwei Wochen in Lissabon (15)
Donnerstag, November 7th, 2013Zwei Wochen in Lissabon (14)
Mittwoch, November 6th, 2013Lissabon will uns nicht vergrämt ziehen lassen. Am letzten Tag lässt man nichts unversucht, uns zu halten: sommerliche Temperaturen, wunderbarer Sonnenschein, Fotografierwolken und wir finden bei unserem Spaziergang in Bairro Lopes (das ist im Osten der Stadt, fast völlig touristenfrei, nur wir) ein Restaurant, das uns auf Anhieb zusagt.
Am Nachmittag genießen wir zum letzten Mal den Ausblick von unserer Terrasse. Das wird uns fehlen.
Eben habe ich ein Taxi bestellt für 4.30 Uhr. Ich bin gespannt, ob das klappt.
Zwei Wochen in Lissabon (13)
Samstag, Oktober 26th, 2013Der Urlaub geht zur Neige. Das Wetter wird wieder besser. Musste ja so kommen, schließlich haben wir in der Straße der Hoffnung (Rua da Esperança) unser Apartment.
„Even as I spoke, an immense shape
Materialised in the night air,
Grotesque and enormous stature
With heavy jowls, and an unkempt beard
Scowling from shrunken, hollow eyes
Its complexion earthy and pale,
Its hair grizzled and matted with clay,
Its mouth coal black, teeth yellow with decay.
(Camões, The Lusiads Canto V)
Auf dem Rückweg vom Bahnhof Rossio (wir waren im Schlosspark Pena unterwegs) zu unserer Urlaubsbleibe hat uns Adamastor überrascht. Zuvor hatten wir seinen Schöpfer Camões freundlich gegrüßt, vielleicht verschonte er uns deshalb.
One wouldn’t expect that you could get on a train at a functional looking train station in Lisbon and wind up less than an hour later in a mountain village that looks pulled from a painting on the cover a fantasy novel.(hier)
Hans Christian Andersen wohnte in Sintra.
Zwei Wochen in Lissabon (12)
Dienstag, Oktober 22nd, 2013Eine Tasse Kaffee, eine Zigarette und meine Träume sind ein vorzüglicher Ersatz für Universum und Sterne, Arbeit, Liebe, ja selbst Schönheit und Ruhm.
(Pessoa, 251)
Auch in Lissabon ist es so, ganz gleich in welcher Art Café, Kneipe oder Restaurant man seinen Bica, den portugiesischen Espresso, bestellt, der schmeckt – ein kleines Tässchen, gefüllt mit großem Geschmack. Wenn man wieder zu Hause ist, möchte man sich mit diesem Aroma die schönsten Minuten des Urlaubs in Erinnerung rufen, aber was haben wir nicht schon alles versucht – Nutzung der besten, von KdW-Fachpersonal ausgewählten Kaffeesorten, Zubereitung mit Kaffeemaschinen der einfachen und der besonders teuren Art sowie Anwendung von ausgefallenen Brühmethoden, die von weitgereisten Verwandten, Bekannten und Kollegen begeistert empfohlen wurden – so wie im Urlaub schmeckt der Espresso nie.
Heute sind wir nach Almada übergesetzt.
Zwei Wochen in Lissabon (11)
Sonntag, Oktober 20th, 2013Dieser Regen!
(Pessoa, 141)
Saudade, dieses portugiesische Lebensgefühl, schleicht sich in unseren Urlaub. Darauf trinken wir einen Portwein.
Bei einem Abendspaziergang haben wir den Sauerkirschlikör Ginjinha an der Stehbar gekostet, in der er seit 150 Jahren ausgeschenkt wird. Es gibt in dieser Bar nichts anderes, nur Ginjinha (und den gab es – anders als hier behauptet – aus kleinen Plastebechern).
Jardim Botanico d’Ajuda – Der älteste botanische Garten Portugals, angelegt 1768
Palacio Nacional da Ajuda
Am Osteingang stehen große Statuen aus der Schule von Machado de Castro, welche die verschiedenen Tugenden repräsentieren.
Zwei Wochen in Lissabon (10)
Donnerstag, Oktober 17th, 2013Es regnet noch und noch. Meine Seele ist nass vom Regnen-Hören.
(Pessoa, 141)
Einfach den Regen nicht beachten, es gibt genug Orte in Lissabon, die uns interessieren und wo Regen nicht stört:
Museu Nacional de Arte Contemporanea
Centro de Arte Moderna
Museu Colecça-o Berardo
Und es gibt Orte in Lissabon, wo Regen und Nebel einfach dazu gehören:
Wenn auf unserer Terrasse kaum noch etwas zu sehen ist, nur ab und zu der durchdringende tiefe Ton der Nebelhörner der ausfahrenden Kreuzfahrtriesen, glaubt man am Bug der Titanic zu stehen und fängt an, nach der Rettungsweste zu suchen.
Man findet aber nur ein Glässchen Portwein und ist auch zufrieden.
Der Friedhof der Vergnügungen ist erst bei dichtem Nebel und Nieselschwaden so richtig anheimelnd. Vor allem, wenn wir dann noch von einem kleinen streunenden Köter angekläfft werden, der wahrscheinlich schon seit einigen Jahren die Gruft seines Herrchens bewacht.
Wieder näherte sich der Köter, diesmal mustert Raimundo Silva ihn argwöhnisch, wer weiß, vielleicht hat er die Tollwut, einmal, er erinnert sich nicht mehr recht wo, las er, ein Anzeichen für jenes schreckliche Übel sei der gesenkte Schwanz, und dieser da hängt recht schlaff, doch das mag von der schlechten Kost herrühren, bei dem Tier kann man ja die Rippen zählen, und ein Anzeichen, ein allerdings bestimmendes, ist auch der unheilvolle Geifer, der dem Tier von den Lefzen und Reißzähnen trieft, nun, wenn diesem Köter der Speichel rinnt, so sicherlich angeregt durch den Duft der hier entlang der Escadinhas de Sao Crispim in Vorbereitung befindlichen Garspeisen.
(Jose Saramango – Geschichte der Belagerung von Lissabon)
Wir haben es noch nicht geschafft, mit der Staßenbahn zu fahren. Ja, wir wissen, dass man eigentlich als Tourist mit diesen alten Dingern gefahren sein muss, aber das wissen nicht nur wir. Die quietschenden Dinger sind immer so voll, das müssen wir uns nicht antun. Heute, am Friedhof der Vergnügungen, glaubten wir schon, dass wir es packen könnten, denn dort ist die Endstation der Linie 28, deren Nutzung in den Reiseführern als billige Variante einer Stadtrundfahrt angepriesen wird. Eine volle Straßenbahn kommt an, alle steigen aus, denn es ist Endstation, aber die gehen nicht etwa auf den Friedhof oder zu sonstigen Zielen in der Nähe, nein, sie stellen sich wieder an, um erneut einzusteigen. Das ist Missbrauch öffentlicher Verkehrsmittel. Die Einheimischen werden die 28er Bahn sicher meiden, wenn sie es können. Ich nutze ja auch nicht den 100er Bus in Berlin.
Um die Wonnen und Schrecken der Geschwindigkeit zu empfinden, benötige ich weder Automobile noch schnelle Züge. Mir genügen eine Straßenbahnen und das erstaunliche Abstraktionsvermögen, das ich besitze und pflege.
In einer fahrenden Straßenbahn erlaubt mir meine analytische Kapazität,
die Vorstellung, die ich von der Straßenbahn und der Geschwindigkeit habe, zu trennen, ja, so gänzlich zu trennen, dass sie zu zwei verschiedenen Real-Dingen werden. Ist dies geschehen, fahre ich nicht mehr in der Straßenbahn, sondern in ihrer reinen Geschwindigkeit.
(Pessoa, 75)
Ach, übrigens war Pessoa bis 1984 auf dem Friedhof Prazeres beerdigt.
Zwei Wochen in Lissabon (9)
Dienstag, Oktober 15th, 2013Christus macht sich rar. Nicht, dass er bisher in unserem Leben eine besondere Rolle gespielt hätte, aber seine Rolle als Wetterfrosch erfüllt er in Lissabon sehr gut.
Wenn er uns morgens vom anderen Tejo-Ufer beim Frühstück zuzwinkert, wird es ein sonnig warmer Tag. Ist er nicht zu sehen, sollten wir bei unseren Spaziergängen Regensachen dabei haben. In den letzten Tagen macht er sich rar, aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Leise hören wir ihn durch den Nebel „Always look on the bright side of live“ trällern.
Ihere is not much talk about the clouds visible up there. No one seems to think it remarkable that somewhere above an ocean we are flying past a vast white candy-floss island which would have made a perfect seat for an angel or even God himself in a painting by Piero delle Francesca. In the cabin, no one stands up to announce with requisite emphasis that, out of the window, we are flying over a cloud, a matter that would have detained Leonardo and Poussin, Claude and Constable.
(Alain de Botton – The Art of Travel)
1997 waren wir das erste Mal in Lissabon. Damals stand alles im Zeichen der kommenden EXPO 1998. Jetzt sind wir auf diesem Gelände spazieren gegangen.
Zwei Wochen in Lissabon (8)
Montag, Oktober 14th, 2013Auch wenn man glaubt, das Fahrkarten- und Tarifsystem begriffen zu haben, gibt es weiterhin genug Fallen für den Touristen. Statt Einzelfahrscheinen gibt es hier Karten, die mit Fahrscheinen aufgeladen werden können. Das kann man an Automaten selbst erledigen oder in größeren Bahnhöfen am Schalter von zuständigen Beamten erledigen lassen. Vor Betreten der Bahnsteige muss man eine Sperre passieren. Dazu führt man seine mit einem oder mehreren Fahrscheinen aufgeladene Karte an einem Scanner vorbei, der überprüft die Gültigkeit, zieht von der Karte einen Fahrschein ab und öffnet die Schranke. Alles verstanden, wir können uns in Lissabon und Umgebung mit den Öffentlichen herum fahren lassen. Nein, noch etwas: Die Karte muss man gut aufbewahren, denn meistens hat man ja noch mehr Fahrkarten geladen, um flexibel auf eine Straßenbahn aufspringen zu können, aber noch wichtiger ist, dass man Metrostationen und Bahnhöfe nur verlassen kann, wenn man die Karte wieder an einem Scanner vorbei führt. Trotzdem wird in den Regionalzügen kontrolliert. Dabei wird die Karte an einem Scanner … na, ihr wisst schon.
In den letzten Tagen passierte Folgendes:
Ein Automat nimmt zwar das Geld an, lädt aber keine Fahrscheine auf die Karte. Pech gehabt.
Auf dem Bahnhof Rossio steht der Zug nach Sintra bereit. Da wollen wir heute hin, sind aber noch am Fahrkartenschalter. Es wird knapp werden, wir sind gerade durch die Sperre, da schließen die Türen, der Zug fährt ohne uns ab. Nun stehen wir da in unserer Unwissenheit. Können wir den Bahnhof wieder verlassen, ohne dass die eben gelöste Fahrkarte verloren ist? Zum Glück fährt der nächste Zug nach Sintra in einer halben Stunde. Warten wir eben auf dem Bahnhof und schauen uns die dortigen Azulejos-Comics an.
Als wir die Station Sintra verlassen wollen, lässt uns eine Karte im Stich. Mehrere Scanversuche führen nicht zum Bahnhofentlassungserfolg. Ich warte ab, bis ein einzelner Herr an die Sperre kommt, nehme Tuchfühlung mit ihm auf und komme mit seiner Karte und ihm erfolgreich durch die Sperre. Er hat es nicht bemerkt.
Ansonsten ist zu berichten, dass uns ein Gewitter auf Moorish Castle überrascht hat. Gehen wir eben beim nächsten Sintra-Ausflug zum Nationalpalast Pena.
Zwei Wochen in Lissabon (7)
Sonntag, Oktober 13th, 2013Wenn man anfängt seinem Passfoto ähnlich zu sehen, sollte man Urlaub machen.
(Ephraim Kishon)
Der Wind gestern abend war nur ein Vorbote. Es hat die ganze Nacht gestürmt, geregnet und gewittert. Eben habe ich eine Regenlücke genutzt, um Schrippen zu holen. Vor drei Tagen meinte die Wettervorhersage, heute könnte Sonnenschein sein, d.h. der heutige Langzeitwetterbericht braucht nicht ernst genommen zu werden. Danach zeigen sich die nächsten Sonnenstrahlen erst wieder in einer Woche.
Um zehn Uhr haben wir bei leichtem Nieselregen das Haus verlassen, gegen 14.00 Uhr konnten wir uns zum Mittagessen ein Plätzchen in der Sonne suchen. Unseren für heute geplanten Ausflug nach Sintra haben wir verschoben. Noch haben wir einige Tage Zeit.
Auf dem (Um-)Weg ins Centro de Arte Moderna (CAM) begegnete uns eine Botero-Mama mit Kind.
Die Situationisten, eine Gruppe von Künstlern und Intellektuellen der 1960er Jahre, interessierten sich für das subjektive Erleben von Raum. Sie empfahlen beispielsweise die Nutzung eines falschen Stadtplans, um sich an fremden Orten zu (des-)orientieren und damit unbekannte Umgebungen intensiver zu erleben.
(aus dem Faltblatt zu Hügel und Zweifel)
Anlässlich des 30. Jahrestags der Eröffnung von CAM findet eine Überblicksschau zur portugiesischen Moderne statt (z.B. Eduardo Viana, António Dacosta, José de Almada Negeiros). Im Zentrum steht das Werk von Amadeo de Souza-Cardoso.
Zwei Wochen in Lissabon (6)
Donnerstag, Oktober 10th, 2013Sometimes Baudelaire dreamt of going to Lisbon. It would be warm there and he would, like a lizard, gain strength from stretching himself out in the sun. It was a city of water, marble and light, conductive to thought and calm. But almost from the moment he conceived of this Portuguese fantasy, he would start to wonder if hemight not be happier in Holland.
(Alain de Botton, The Art of Travel)
Der Monsanto-Park ist 800 Hektar groß, genug für pflastermüde Stadtwanderer. Wir hatten uns eine zweistündige Route durch den Park zurechtgelegt, aber als wir nach einer Stunde Wanderzeit Ausblick auf die Brücke des 25. April hatten, hielt uns nichts mehr auf den Trimm-Dich-Pfaden zwischen Pinien und Eukalyptusbäumen. Der Tejo zog uns an.
So sind heute wieder 15 bis 20 Spaziergangskilometer zusammen gekommen. Vielleicht muss man noch zwei bis drei Museumskilometer hinzurechnen, die wir in der Sammlung von Jose Berardo zurück legten.
Die Hängebrücke des 25. April ist 2,3 km lang. Sie wurde 1966 eröffnet. Damals hieß sie noch Salazar-Brücke, die Umbennenung erfolgte nach der Nelkenrevolution zur Erinnerung an die Nelkenrevolution (25. April 1974). Die Autofahrer müssen schwindelfrei sein. Man kann durch die Fahrbahn 70 m in die Tiefe blicken.
Heute ist es nicht möglich auf unserer Terrasse Abendbrot zu essen. Es weht ein böiger Wind.