1988 gewann die Berliner Malerin Gisela Breitling den Wettbewerb zur künstlerischen Ausgestaltung des restaurierten Kirchturms von St. Matthäus. Seit 1993 hängen dort von ihr 16 Tafeln (Öl auf Holz) zu Texten des Matthäus-Evangeliums. Die Künstlerin hat sich in ihrer Auseinandersetzung mit den Bibeltexten hauptsächlich an den Frauengeschichten orientiert. (Stiftung St. Matthäus)
Archive for September, 2008
Im Turm der Matthäus-Kirche
Dienstag, September 30th, 2008Hugenotten-Pelikan
Montag, September 29th, 2008
Michael Klein, 1994
An die Unterzeichnung des Potsdamer Edikts am 29. Oktober 1685 erinnert dieses Gedenkzeichen vor dem ehemaligen Hospitalgelände der Französischen Kirche in Gestalt eines Pelikans. Mit dem sogenannten Toleranz-Edikt fanden damals mehr als 5000 Hugenotten, die als protestantische Christen in Frankreich zu Fremden und Verfolgten geworden waren, eine neue Heimat in Berlin. Unter dem Sinnbild des Pelikans, der in Zeiten größter Not seine Jungen mit dem eigenen Herzblut nährt, betreuten sie ihre Kranken, Waisen und Alten.
(hier)
Aus orientalischen Quellen stammt die Vorstellung des Physiologus, der Pelikan opfere sich für seine Jungen, «er gehe völlig auf in der Liebe zu seinen Kindern. Wenn er die Jungen hervorgebracht hat, dann picken diese, sobald sie nur ein wenig zunehmen, ihren Eltern ins Gesicht.» (gut beobachtet: Die Jungen holen sich das Futter aus den Schnabelsäcken der Eltern.) «Die Eltern aber hacken zurück und töten sie. Nachher jedoch tut es ihnen leid.»
(Neuer Physiologus)
Der Bunker in der Reinhardtstraße
Sonntag, September 28th, 2008Der nachfolgende Text zur Geschichte des Bunkers ist von der Website der Boros-Sammlung. Der Eintritt zur Site ist SPAM-geschützt. |
Der Hochbunker befindet sich an der Ecke Albrechtstraße/Reinhardtstraße in Berlin-Mitte. Er wurde im Jahre 1942 unter der Bezeichnung „Reichsbahnbunker Friedrichstraße“ erbaut. Die Planung begann 1941 unter der Leitung von Albert Speer im Rahmen des „Führer-Sofortprogrammes“ für die Schaffung ziviler Luftschutzanlagen. Der Bunker sollte den Reisenden des in der Nähe gelegenen Bahnhofs Berlin-Friedrichstraße Schutz vor alliierten Luftangriffen bieten. Die Zivilbevölkerung des umliegenden Wohngebiets und Besucher des Deutschen Theaters konnten sich hier bei Fliegeralarm ebenfalls in Sicherheit bringen. Der Schutzraum fasste bis zu 2000 Personen. Nach der Kapitulation besetzte die Rote Armee den Bunker und nutzte ihn als Gefängnis.
Ab Mitte der 1950er Jahre wurde der Bunker vom volkseigenen Obst- und Gemüsekombinat Berlin als Lager genutzt. Die dicken Wände und das raffinierte Belüftungssystem sorgten für eine nahezu konstante Innentemperatur. Daher war er für die Lagerung von Südfrüchten besonders gut geeignet. Zu DDR-Zeiten wurde er von der Bevölkerung auch „Bananenbunker“ genannt.
Nach der Wende entdeckte die Techno- und Fetisch-Szene den Bunker als Partylocation. Der „Bunker“ galt als der härteste Technoclub in Deutschland. Die dort ebenfalls veranstalteten SM- und Fetischparties waren weit über die Grenzen von Berlin bekannt. 1995 fand im Bunker die
„Sexperimenta“ statt. Seine letzte Techno-Party erlebte der Bunker im Jahre 1996.Der Bunker besitzt eine quadratische Grundfläche mit einer Länge von circa 38 m und einer Höhe von 16 m. Im Inneren erstreckt sich der Schutzraum über fünf Etagen. An jeder der vier Längsseiten ist ein separates Treppenhaus angeordnet. Die Außenwände aus massivem Stahlbeton haben eine Dicke von 2,00 m. Die ursprüngliche Raumhöhe beträgt nur 2,30 m. Das Dach besteht aus 3,10 m dickem Stahlbeton. Beim Bau wurde so genannter „Blauer Beton“ verwendet. Dieser spezielle Beton war zur damaligen Zeit einer der widerstandsfähigsten Baustoffe, der erst nach etwa 30 Jahren voll ausgehärtet ist. Die Oberfläche wurde als unbehandelter Sichtbeton mit den Spuren der Bretterverschalung belassen. Das Gebäude steht wegen der besonderen historischen Bedeutung unter Denkmalschutz.
In einem bestimmten Hotelzimmer hat man kostenlosen Ausblick auf ein Elmgreen & Dragset Werk der Boros-Sammlung . Soll insbesondere auf Gäste verstörend wirken, die nicht wissen, dass im Bunker eine Kunstsammlung untergebracht ist.
(Für Temporarily Placed erhielten Elmgreen & Dragset 2002 den Preis der Nationalgalerie.)
Der streng axialsymmetrische, fünfgeschossige Block ist durch ein umlaufendes, mächtiges Konsolgesims und breite Mittelrisalite auf jeder Seite, denen eingeschossige Vorbauten mit je zwei rundbogigen Elngängen und Streifenquaderung vorgelagert sind, gegliedert. In den
Kubus sind kleine, teils paarweise angeordnete, hochrechteckige Öffnungen eingeschnitten. Die exponierte Lage auf einem Eckgrundstück mag verantwortlich für die vergleichsweise aufwendige Gestaltung dieses Bunkers gewesen sein, der sich in Größe und Gliederung an der Nachbarbebauung orientiert. Gleichzeitig kam die wehrhafte Nutzung aber auch dem herrschenden Gestaltungsideal einer „archaischen“ Architektur entgegen, die sich, im Rückgriff auf den Klassizismus der Zeit um 1800, der Reduktion auf einfache geometrische Formen und einer monumentalen Gesamtwirkung verschrieben hatte.
(aus: Bauen in Berlin 1900-2000)
Streetart am Bunker (vor der Sammlungsnutzung, inzwischen entfernt)
Landschaftsabfälle
Samstag, September 27th, 2008Bilder von den Rändern der Gedankenlosigkeit
Miroslaw Balka in der Galerie Nordenhake
Wenige Zentimeter vom Schaufenster entfernt steht da ein Stein, aufgespießt auf eine einen Meter hohe Stahlstange, und wird von einem 25 Zentimeter breiten, quadratischen Sockel getragen, als habe sich die Skulpturtradition seit Alberto Giacometti oben zum Baustoff und unten zum Ausstellungsdesign bereinigt. Was die Galerie in einer Verlautbarung als Aufforderung zum Steinwurf interpretiert, könnte man ebenso als Kapitulation vor der Banalität des Materials verstehen. Kein Kapitell, keine Büste, keine Konstruktion und keine anthropomorphe Form – ein dummer Stein, mit unerleuchteten Nachbarn, denn zu seiner Seite ragt ein Balkongeländer vom Haus der Familie Balka auf, in den Betonsockel gesteckt wie in ein Scharnier; der Besucher soll an ihm drehen, bis der Stahl sich kreischend am Zementgemisch reibt. Dieser Mühlstein der ästhetischen Perspektivverweigerung wird von einem Brunnen mit billigem Branntwein begleitet, der wie die anderen Arbeiten die bloße eigene Bemaßung als Titel mit sich herumträgt.
(Gerrit Gohlke hier)
StreeTreeArt
Freitag, September 26th, 2008Acht Bäume im Stadtteil Prenzlauer Berg werden in den kommenden Wochen künstlerisch mit Farbe verziert. Die mit Tapetenmuster weiß bemalten Bäume markieren drei Straßenbahnübergänge an der Wisbyer Straße, sagte Ideengeberin Josefine Günschel. Das kunstvolle Bemalen sei ein deutschlandweit einmaliges Projekt, sagte die Künstlerin. Mit dem Muster solle an den ehemaligen Wohngebietscharakter der Wisbyer Straße erinnert werden, der wegen des starken Verkehrs nicht mehr existiere. Die vielbefahrene Straße trenne die Menschen auf beiden Straßenseiten voneinander. Günschel engagiert sich seit Jahren für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum.
(hier)
Erinnerung
Donnerstag, September 25th, 2008Nur zu einer Hälfte schlägt die Erinnerung
in den Kammern des Gedächtnisses Wurzeln:
zur anderen wohnt sie in den steinernen
Straßen in denen wir lebten.
Lional Abrahams
gefunden in:
Ivan Vladislavic
Johannesburg. Insel aus Zufall
A1 Verlag, 2008
Brunnen der Generationen
Dienstag, September 23rd, 2008Brunnen der Generationen von Rolf Biebl, 1990
Was ist für Sie der Reiz am öffentlichen Raum?
Der öffentliche Raum ist das Gegenteil jeder elitären Kunststrategie. Man muß als Künstler etwas suchen, mit dem man sich den Leuten nähern kann. Das ist ganz wichtig und für mich die eigentliche Herausforderung: daß Menschen, die mit Kunst sonst vielleicht nichts zu tun haben, mit Kunst in Berührung kommen. Und daß jemand, der sich in der Kunst auskennt, trotzdem einen Zugang findet. Diese Zwischenstufe hat mich immer besonders interessiert. Wenn mir das gelingt, habe ich ein gutes Gefühl.
Ich versuche, im öffentlichen Raum auf die Menschen zuzugehen. In meinem Atelier, bei freien Arbeiten arbeite ich anders. Da bin ich der einzige Betrachter, dort denke ich an mich und eine Art Forschung zu Ausdrucksformen der Bildhauerei, die es noch nicht gab. Da sind also Figuren, deren Körper ausgefüllt sind, wo Verhältnisse gegeneinander ausgespielt sind, Volumina gegeneinander stehen. Das ist mein persönliches Forschungsprojekt, im öffentlichen Raum aber ist das zweitrangig.
(Interview mit Rolf Biebl)
Amazone zu Pferde
Montag, September 22nd, 2008Oft wurde die griechische Bezeichnung „Amazone“ auf a-mazos (brustlos) zurückgeführt. Denn die Amazonen sollen ihren kleinen Töchtern – laut einigen späteren Quellen – die rechte Brust ausgebrannt haben, damit diese später den Bogen ungehindert abschießen konnten. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Amazonen über der rechten Brust ein Lederdreieck trugen, welches die Brust flach drückte. Damit konnte die Sehne des Bogens ungehindert gespannt werden. Dies erweckte den Eindruck von „Einbrüstigen“.
Allerdings wurden Amazonen in den griechischen Darstellungen gewöhnlich mit zwei Brüsten wiedergegeben. Die Herleitung von a-mazos wird in der Forschung daher mittlerweile überwiegend abgelehnt und ist nicht die einzige vorgeschlagene mögliche Deutung des Namens.
So wird der Name zum Beispiel auch von a-mazas (brotlos) hergeleitet. Es ist überliefert, dass der Verzehr von Brot bei den kaukasischen Amazonen als verweichlicht galt. Deshalb bekamen nur ihre männlichen Sklaven Brot, während die kämpferischen Frauen eiweiß- und vitaminreiche Kost wie Fisch, Früchte und Fleisch bevorzugten.
(Wikipedia)
Louis Tuaillon, Vergrößerung einer Bronze von 1895; aufgestellt 1905
Für die zeitgenössische Kritik war die Amazone (eine Bronze, 85 cm groß) die Überraschung der großen Berliner Kunstausstellung von 1895. Erst nach Meldeschluss gelangte das Werk des bis dahin kaum bekannten Tuaillon unter die Exponate.
…
Richtig populär wurde die Arbeit aber erst durch die Aufstellung der im Auftrag Kaiser Wilhelms II. ausgeführten überlebensgroßen Wiederholung im Tiergarten.
Sowjetisches Ehrenmal
Sonntag, September 21st, 2008Die durchgehende Achse im Tiergarten, die am Kemperplatz beginnt und an der Straße des 17. Juni endet, erinnert an die frühere Siegesallee, die man 1873 zusammen mit der Aufstellung der Siegessäule am damaligen Königsplatz angelegt hatte, um der siegreichen Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich zu gedenken. Die Siegesallee musste 1938-39 der monumentalen Nord-Süd-Achse weichen, die nach Plänen Albert Speers zur Prachtstraße des nationalsozialistischen Berlin ausgebaut werden sollte. Angesichts dieser Zusammenhänge verwundert es nicht, dass das erste große Sowjetische Ehrenmal nach den Zweiten Weltkrieg genau in der Achse der alten Siegesallee und damit in der Nähe des Reichstages und des Brandenburger Tors errichtet wurde.
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Das Ehrenmal bildete bis 1990 eine sowjetische Enklave im britischen Sektor Berlins.
(aus: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland Ortsteile Moabit, Hansaviertel und Tiergarten, Michael Imhof Verlag 2005)
Die Tropen
Samstag, September 20th, 2008Die Tropen
Ansichten von der Mitte der Weltkugel
(Dieser Untertitel ist ein etwas schräger Beitrag der Ausstellungsmacher zum Jahr der Mathematik:
Wo war doch gleich die Mitte einer Kugel? Bestimmt nicht in Äquatornähe.)
Bei den früheren Stationen der Schau in Brasilia und Rio de Janeiro wurden mehr als eine halbe Million Besucher gezählt. In Deutschland ist sie jetzt zum ersten Mal zu sehen – mit 280 alten und neuen Kunstwerken, Skulpturen und Fotografien aus den Regionen zwischen dem nördlichen und dem südlichen Wendekreis.
…
Rund 200 Arbeiten meist anonymer Künstler aus den Beständen des Berliner Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst stehen in fünf thematischen Kapiteln, etwa zu Natur, Politik, Farbenpracht oder urbanem Drama, Malerei, Fotografie, Installation und Multimedia von rund 40 Gegenwartskünstlern gegenüber. Diese stammen teilweise selbst aus tropischen Länden, teilweise setzen sie sich kritisch mit unserer Tropenerwartung auseinander. So hängen Dschungelfotos von Thomas Struth oder Candida Höfers Aufnahmen von in Zoos gehaltenen Giraffen neben Plastiken aus Westafrika, die einen noch unschuldigen Umgang eingeborener Künstler mit Natur und Gottheiten zeigen, bevor die Tropen zur Dritten Welt verkamen. Der in Berlin lebende Peruaner Fernando Bryce zeichnet lokale Idole nach, der Kölner Marcel Odenbach oder der Peruaner David Zink Yi zeigen afrikanische und südamerikanische Realität im Video.
(Heinz Peter Schwerfel in art, hier einige Bilder aus der Ausstellung)