Höhepunkte des Tages:
35 Minuten warten auf unser Gepäck in Schönefeld.
Wir erreichen erlebnisprall Königs Wusterhausen.
Es soll ja Menschen geben, die nicht gern unterwegs sind. Manchen ist ihr Wohnort genug, andere scheuen die Unvorhersehbarkeiten einer Reise. Man erzählt von einem französischen Grafen, der eine umfangreiche Bibliothek sein eigen nannte und sich auf seinem Schloss in der französischen Provinz nicht langweilte bis er Dickens las. Ihn überkam eine große Lust, London zu besuchen. Er kam bis Paris. Dort besann er sich eines Besseren: Was kann eine Reise mehr an Wissen bringen als ein guter Roman? Mit der Literatur kann man ohne Beschwerlichkeiten durch Raum und Zeit strolchen. Man kann sogar entspannt Leuten begegnen, um die man sonst aus verschiedensten Gründen einen weiten Bogen machen würde. Und bequem lässt es sich im Ohrenlesesessel reisen – keine Angst vor Verspätungen und verpassten Anschlüssen, kein unbequemes Bett in einem schmutzigen Hotel und keine Irrwege auf der Suche nach der Seele der fremden Stadt.
Wir reisen gern, noch reicht es uns nicht, nur die Reiseliteratur zu studieren und die Literaten des Landes zu lesen.
Wir wissen aber inzwischen schon, dass man sich in Zeiten des Pauschaltourismus nicht alles antun muss, was lautstark angepriesen wird. Eine Bootsfahrt vom Festland auf eine kahle Insel bleibt in jedem Land eine Bootsfahrt auf eine kahle Insel. Wenn man das einmal gemacht hat, braucht man sich nicht anzustellen, um dann auf dem Boot an schwitzenden Touristen festzukleben. Das gilt auch für Ile d’If, zumal die Leiden des Edmond Dante sowieso nur imaginär sind.
Es lässt sich – einen wahren Dichter vorausgesetzt – beschreiben, was die Augen sehen, schwieriger ist es, die Gerüche und Geräusche einer Stadt wiederzugeben.
Geräusche. – Oben in den menschenleeren Straßewn des Hafenviertels sitzen sie so dicht und so locker wie in heißen Beeten die Schmetterlinge. Jeder Schritt schreckt ein Lied, einen Streit, Klatschen triefenden Leinenzeugs, Brettergerassel, Säuglingsgejammer, Klirren von Eimern auf. Nurmuss man sich allein hierher verloren haben, um ihnen mit dem Kescher nachzufolgen, wenn sie taumelnd in die Stille entflattern. Denn noch haben in diesen verlassenen Winkeln alle Laute und Dinge ihr eigenes Schweigen, wie es um Mittag auf Höhen ein Schweigen der Hähne, ein Schweigen der Axt, ein Schweigen der Grillen gibt. Aber die Jagd ist gefährlich, und zuletzt bricht der Häscher zusammen, wenn ihn wie eine riesenhafte Hornisse von hinten ein Schleifstein mit dem zischenden Stachel durchbohrt.
(Walter Benjamin, Marseille)
Wir sind viel zu früh auf dem Flughafen Nice, aber: Sicher ist sicher, denn nichts ist easy bei EasyJet (siehe Abenteuer in Marseille, 1. Tag). Die Zeit, ein richtiges Restaurant zu suchen, haben wir uns heute nicht genommen.
Morgen gehen wir wieder arbeiten. In 5 Wochen haben wir richtigen Urlaub, nicht nur so ein beidseitig verlängertes Wochenende. Zur Vorbereitung wird Pessoa gelesen. Wo geht es hin?
If our lives are dominated by a search for happiness, the perhaps few activities reveal as much about the dynamics of this quest – in all its ardour and paradoxes – tha our travels. They express, however inarticulately, an understanding of what life might be about, outside the contraints of work and the struggle for survival.
(Alain de Botton, The Art of Travel)