Robert Kusmirowski bezieht sich in seinen Arbeiten oft auf die wahren Spuren der Vergangenheit. So diente ihm ein historisches Foto aus den frühen 30er Jahren, auf dem die Innenräume des Lufthansa Büros in der Lindenstr. 35 zu sehen sind, als Inspiration und Vorlage für den Nachbau in den heutigen Räumen. Für die Zeit der Ausstellung werden also die Galerieräume von Zak-Branicka verschwinden; am Ort des gewohnten Ausstellungsraumes wird die Zeit um über achtzig Jahre zurück gestellt. Sogar ein Schild auf der Tür weist auf das alte Büro hin und Wahrheit und Fiktion, Gegenwart und Vergangenheit beginnen zu verschmelzen. Es ist schwer zu erkennen, ob das Streckennetz oder die Fotos im Raum „echt“ sind, und wer eine Reise in die Vergangenheit machen möchte, kann ein Ticket mit seinem eigenen Namen erwerben. Hier ist nun alles möglich.
Kusmirowski lässt in seiner künstlerischen Praxis Fakten und Fiktion verschwimmen, indem er die Ortsgeschichte der Galerie als Ausgangspunkt für seine spielerische Forschung verwendet. Er sammelt, formt und konstruiert diese fein gearbeiteten Momentaufnahmen, um uns daran zu erinnern, dass die Vergangenheit dazu tendiert, sich selbst zu wiederholen. Er untersucht die Vorstellungen von Geschichte und ihrer Repräsentation, sowie jene der Erinnerung; zeigt jedoch auch auf eine unheimliche Art und Welse seine Selbstidentifikation mit einer gedachten kollektiven Vergangenheit.
Kusmirowski verwendet die Vergangenheit als Rohmaterial und erfindet sie gleichzeitig neu, denn er verwendet Fake-Fotografien, Fälschungen und unwahrscheinliche Materialien, die unsere individuelle und kollektive Erinnerung hinterfragen. Somit verwandelt er die Gegenwart in seine persönliche, imaginäre Zeitkapsel. Kusmirowski nimmt in diesen gedachten Installationen die Rolle des Protagonisten ein und ist gleichsam Darsteller, Regisseur und Publikum, wie auf den Fotos, auf denen sich Kusmirowski als Pilot der Deutschen Lufthansa AG darstellt/fotografiert.
(Text vom Faltblatt in der Galerie)
Archive for April, 2017
Lufthansabüro in der Lindenstraße 35, 1932
Sonntag, April 30th, 2017Gartenschau der König Galerie
Samstag, April 29th, 2017Den Garten hinter St. Agnes besuchen wir heute zum ersten Mal. Wir kommen auf alle Fälle wieder, wenn das Galerienwochenende vorbei ist. Auch der beschaulichste Garten verliert seinen Charme, wenn zu viele Gäste die stillen Winkel besetzen.
Tatiana Trouvés Waterfall ist eine tragikomisch-romantische Neufassung des von vielen öffentlichen Plätzen vertrauten klassischen Springbrunnens. Statt den bekannten Formen begegnen wir hier einer vor sich hingammelnden Matratze, wie man sie sonst an Straßenrändern und in Abfallcontainern liegen sehen kann. In Bronze, ein bevorzugtes skulpturales Material, gegossen, wirkt sie trotzdem weich; erbarmungswürdig schlaff hängt sie über einer Platte aus Baubeton. Der detailreich gearbeitete Guss lässt Abnutzungsspuren, Grübchen mit Knöpfen und Druckstellen erkennen; die Matratze scheint zu weinen oder schwitzen, was diesem zutiefst privaten und nun achtlos weggeworfenen Objekt etwas Menschliches verleiht.
(hier)
Eight Miles High
Samstag, April 29th, 2017Am 25. März 1957 wurden die Römischen Verträge – die Grundlage der heutigen Europäischen Union – unterzeichnet. Anlässlich dieses 60. Jahrestages fand am 25. März 2017 in St. Agnes eine Veranstaltung statt, die sich mit Fragen zur Zukunft der Europäischen Union beschäftigte. In Zusammenarbeit mit morePlatz setzte die in St. Agnes beheimatete KÖNIG GALERIE ein Zeichen, als an der Fassade der ehemaligen Kirche eine EUROPA-Lichtinstallation angebracht wurde.
(mehr hier)
Windspiele von Anselm Reyle in der König Galerie.
Naumburg bietet dem Spaziergänger viel
Montag, April 24th, 2017Im leisen Zitterrascheln eines Blatts – im Farbschatten eines Grashalms – im Formgebild des Kleeblatts – im Summen einer Biene – im Schimmern eines Tautropfens – im Hauch des Winds – in den linden Düften, die vom Wald herüberstrichen – in all diesem tat sich eine Welt von Suggestionen auf – all diesem entstieg ein lustiger und buntscheckiger Zug von rhapsodischen und unmethodischen Gedanken.
(E. A. Poe, Eine Geschichte aus den rauhen Bergen)
Wie die junge Frau mit Koffer zum Bahnhof kam
Im Naumburger Dom erstehe ich „Uta von Naumburg – Eine deutsche Ikone (Wolfgang Ullrich). Über die Kirchenfenster von Neo Rauch im Dom habe ich hier berichtet. Im Domgarten stehen Büsten von Naumburgerinnen, alle mindestens genau so schön wie Uta.
Der Weg vom Bahnhof Naumburg zu unserer Pension ist nicht allzuweit, aber bei der Ankunft hat sich gezeigt, dass die Straßenpflasterung nicht rollkoffertauglich ist. Deshalb nutzen wir bei der Abreise die historische Straßenbahn, um zum Bahnhof zu kommen.
Es war leider keine Zeit, den besten Griechen der Stadt auszuprobieren.
An einem Abend gehen wir in den Naumburger Ratskeller. Als Kindergericht, so lese ich entsetzt auf der Speisekarte, gibt es „Nudeln mit original DDR Tomatensoße“. Die Errungenschaften der DDR sind mir aus eigener Erfahrung wohlvertraut, auch die ganz besondere, klumpige Soße aus Tomatenmark und Mehl ist mir aus der Schulspeisung bekannt. Zu den bewahrenswerten Kulturgütern hätte ich diese Pampe allerdings nicht gezählt. Das sieht man in Naumburg offensichtlich anders. Also, beim Nachkochen ist es wichtig, keine frischen Tomaten zu nutzen und außer Salz und Pfeffer keine zusätzlichen Gewürze. Nur so kommt DDR-Feeling auf.
Bei einem Spaziergang wäre mir Nietzsche fast zum Verhängnis gworden. Auf dem Neumarkt steht das Nietzsche-Denkmal von Heinrich Apel. Das muss natürlich fotografiert werden. Dabei achte ich nicht auf den Rinnenbrunnen, der quer über den Platz verläuft. Ich knicke um, der rechte Fuß taucht schmerzhaft ins kalte Wasser. Als wir am Abend nochmals über den Platz laufen, Naumburg ist nicht so groß, ist diese gefährliche Rinne gesichert und abgedeckt. Hat der Bürgermeister mein Malheur beobachtet?
Im Netzwerk der Berliner Moderne
Sonntag, April 23rd, 2017Die Jubiläumsausstellung im Kolbe-Jahr 2017 zeigt den Bildhauer Georg Kolbe als modernen Netzwerker insbesondere in den Bereichen Kunst, Architektur, moderner Tanz, Politik und Gesellschaft.
Bad Kösen – Skulpturen am Gradierwerk
Sonntag, April 23rd, 2017Am Gradierwerk in Bad Kösen sind sehr interessante tätowierte Steinskulpturen aufgestellt. Leider konnte ich keinen Hinweis auf den Bildhauer finden.
Naumburg – Im Domgarten
Samstag, April 22nd, 2017Naumburg – Friedrich Nietzsche
Freitag, April 21st, 2017Nutzen Sie, um zum Nietzsche-Dokumentationszentrum zu kommen, vom Bahnhof aus das Angebot der historischen Naumburger Straßenbahn, mit welcher bereits Nietzsches Mutter mit ihrem Sohn fahren konnte.
Naumburg und Nietzsche (eine Zusammenstellung von Links)
Das Nietzsche-Denkmal von Heinrich Apel auf dem Holzmarkt wurde 2007 eingeweiht. Wir kennen Apel von unseren Stadtspaziergängen in Magdeburg (Faunbrunnen und Philemon und Baucis).
Naumburg – Neo Rauchs Kirchenfenster im Dom
Donnerstag, April 20th, 2017Drei Momente aus dem Leben der Elisabeth hat der Leipziger Maler ausgewählt. Das erste Fenster zeigt die junge Frau im Moment des Abschieds von Ludwig IV., ihrem Ehemann. Ein letzter Händedruck, dann schreitet der Kreuzfahrer seinem Verhängnis entgegen.
Das Ableben des geliebten Gatten hatte für Elisabeth Folgen: Am Landgrafenhof fehlte ihr nun der Rückhalt für ihre barmherzigen Taten der Armen- und Krankenpflege. Fenster Nummer Zwei und Drei zeigen die junge Frau als hemdsärmelige Samariterin. Zunächst kann man beobachten, wie sie einem Bedürftigen in einer unwirtlichen Gegend ihren Mantel überlässt.
Das dritte und größte Fenster zeigt die Heilige schließlich im Marburger Hospital, das sie 1228 gegründet hatte. Dort pflegte Elisabeth bis zu ihrem Tod Aussätzige.
(mehr hier in der WELT vom 14.12.2007)
Kommunale Galerien in Berlin (16)
Mittwoch, April 12th, 2017In der Galerie im Saalbau Neukölln zeigen uns Ingo Gerken und Florian Neufeldt das Maß der Dinge.
Luft nach oben (Ingo Gerken, 2017)
Bibliosculpture XVII (Ingo Gerken, 2017)
Ingo Gerken begreift das Buch als Objekt und nimmt sich die Literatur der Kunstgeschichte als künstlerisches Material direkt aus den Regalen. … [Er] nutzt die Seiten von Monografien und Katalogen als formales Terrain wie auch als gedanklich offenes Gelände zur Erweiterung und Kommentierung, und er flaniert dabei auf einem schmalen Grat zwischen Hommage und Subversion. Seine minimalen Alltagsinterventionen begegnen hier den repräsentativen Hochglanzmustern der Werkbetrachtung, haben aber dabei nicht allein die kanonisierte Kunst im Auge: der Künstler beobachtet auch sich selbst, seine eigene Situation und deren Bedingungen.
(Jan Ketz, Kurator, Berlin
im Katalog INGO GERKEN – OFFENES BUCH, Künstlerhaus Schloss Balmoral, 2012)
2 As 3 And Some Too (Liz Larner, 1997/98)
in: Skulptur Heute, Phaidon Verlag, 2008