Zilleball 1927

Zilleball 1927

Da fuhren die Sechstausend zum Zilleball im Sportpalast vor. Eine ganze Stadt, die sich aus Übermut für eine Nacht in Fetzen und Lumpen warf, der Kurfürstendamm in das Gewand der Ackerstraße, die wohlsituierte Brieftasche in den zerschlissenen Rock des letzten Elends.
Aber draußen, am Eingang, durch die Zäune lugend, stark frierend, standen die wirklichen Zilletypen. ( … )
Durch ihr Spalier mußte der Meister Heinrich Zille hindurch, als er nach 1 Uhr, den Kragen hochgeschlagen, das Milieu des Sportpalastes verließ. Seine Modelle erkannten ihn nicht – aber ihm genÜgte die eine Sekunde des Vorbeigehens an der Hundertschaft der hungernden Krüppel und kessen Raben, um sie alle, alle zu sehen und ihrer aller Schicksal zu erkennen. Das hängte sich in seine Gedanken und machte seine Schritte schwer, als er langsam und nachdenklich seiner Mansarde zustrebte. Und er dachte bei sich: »Alles schön und gut, aber ein Zilleball war es nicht. (…) Es ist ja auch gar nicht wahr, daß ich ein Humorist bin. In den Lustigen Blättern sind meine Bilder bloß deshalb erschienen, weil kein anderer als der wackere Dr. Eysler den Mut hatte, sie zu bringen. In Wahrheit waren sie ja zum Weinen statt zum Lachen gemacht. (…) Wenn ich zu bestimmen hätte, wo mein Denkmal hinkäme, möchte ich es lieber vor dem Zentralarbeitsnachweis als auf einem Ball im Sportpalast haben.«
(Peter Sachse im Berliner Journal, Nummer 155, 1927)

Heinrich Zille

Nun, ein Arbeitsamt gibt es da nicht, aber im Nikolaiviertel steht seit einigen Wochen die Skulptur eines sehr schlanken Heinrich Zille. Die Skulptur wurde von Torsten Stegmann anlässlich des 150. Geburtstages von Zille geschaffen.
Es gibt gegenwärtig einige Ausstellungen zu Zilles Ehren in Berlin, letztens sahen wir auch einige Arbeiten in der Galerie Leo.Coppi.

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One Response to “Zilleball 1927”

  1. Günter sagt:

    Heute fand in Radeburg, dem Geburtsort von Heinrich Zille, ein sehenswerter Karnevalsumzug statt. Schade, dass es 80 Jahre nach dem „Zilleball“ zu diesem damals zeitgenössischen Maler keinen Bezug gab.

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