Posts Tagged ‘„Berliner Original“’

Ecbatane

Samstag, März 12th, 2016

Einige Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses haben Ende vergangenen Jahres das Wunder fertiggebracht, um Ipousteguy einen Streit zu entfachen, der sich zum mittleren Skandal auswuchs. Sie wollten die Entscheidung einer vom Bausenator eingesetzten Jury, die einen Kunst-am-Bau-Auftrag für das fast vollendete Internationale Congress-Centrum mehrheitlich Ipousteguy zugesprochen hatte, nicht akzeptieren. Der Künstler war verstimmt und die Presse empört (zu Recht), der Bausenator mußte einen Ausflug ins Pariser Atelier machen, spürte nun die „Ausstrahlung und Faszination“ von Ipousteguys Arbeit, und nun wird also „Ecbatana“ doch das ICC zieren.

Es handelt sich dabei um die monumentalisierte Fassung einer Skulptur, die bereits vor vierzehn Jahren entstanden ist. Diese Skulptur ist jetzt im originalen Zimmerformat zu sehen in der großen Ausstellung, die Dieter Ruckhaberle in der Berliner Kunsthalle eingerichtet hat. Mit rund 250 Plastiken, Objekten, Bildern, Zeichnungen und Druckgraphiken ist sie umfassender, als alle vorangegangenen es waren. Und nun stehen also auch die Berliner, die so ohne weiteres wohl kaum zu einer Ipousteguy-Ausstellung gekommen wären, um „Ecbatana“ herum und betrachten, was ihnen fast entgangen wäre.

„Tant de bruit pour une Omelette“ könnte man sagen, aber „Ecbatana“ und Ipousteguy-Skulpturen überhaupt sind nicht schwerelos wie ein Eierkuchen, sondern nach Material und Idee schwergewichtige Monumente. Ecbatana war eine persische Stadt, die von Alexander dem Großen erobert wurde, aber nicht im Krieg, sondern in einem Akt wechselseitiger Anverwandlung, in dem der Eroberer erobert wurde. Ipousteguys langgestreckte, zweiteilige Bronzeskulptur zeigt Alexander vor Ecbatana. Eine männliche Figur, auf einem Bein kniend, weist mit einer zugleich beschwörenden und zugreifenden Geste auf ein aus unregelmäßig geformten Platten getürmtes und geschichtetes Gebilde. Der Kopf des Mannes ist zerlegt in Schichten diagonaler Schalen, geistige Energie wird hier sichtbar gemacht durch Fixierung der Phasen ihrer Vibration. „Ecbatana“ ist eine ansehnliche Skulptur, gemacht von einem Künstler mit nicht irritierten Gestaltungskraft. „Ich wollte“, schreibt Ipousteguy dazu, „daß das Dynamische des Menschen sich dem Statuarischen der Gebäude entgegensetzt“. Ipousteguy hat auch viele schwere Wörter zur Hand.
(mehr hier in der ZEIT von 1979)

Stein5

Hans Stein in der Galerie Bastion Kronprinz

Ipousteguy1

Hans Stein hat Ecbatane genau aus diesem Blickwinkel gemalt. Seit Sommer 2005 befindet sich die Großskulptur irgendwo in einer Lagerhalle. Das Foto ist vom 16. März 2003.

Zugriff

Das Gipsmodell von „Der Mensch baut seine Stadt“ habe ich 2007 in Pietrasanta entdeckt.

Ipousteguy2

Um seine [Jean Ipousteguy]auf frühere Arbeiten zurückgehende „Mensch-vor-Ecbatane“-Figur populärer zu gestalten, fügte er einen Bären mit märkischen Tannenzapfen und die Berliner Figur des „Eckensteher Nante“ hinzu, die übrigens seine eigenen Gesichtszüge trägt.
(Endlich/Wurlitzer – Skulpturen und Denkmäler in Berlin)

Kurt Mühlenhaupt Boulevard

Donnerstag, Juli 31st, 2014

Kurt Mühlenhaupt

Mit der Ausstellung „Land, Stadt, Land“ wurde Januar 2014 auf der Empore der Markthalle am Marheinekeplatz das Mühlenhaupt-Museum eröffnet. Der neue Name soll an den Kreuzberger Maler Kurt Mühlenhaupt (1921-2006) erinnern. Schwerpunkt des Programms in diesem Jahr sowie 2015 werden Werke der Kreuzberger Bohème von den 1950er bis zu den frühen 70er Jahren sein. Die Schau „Land, Stadt Land“ zeigt zum Auftakt Bilder aus der Kunstsammlung des Rundfunks Berlin Brandenburg (RBB). Die Öffnungszeiten sind bis 15. Februar Montag bis Freitag, 8 bis 20, Sonnabend, 8 bis 18 Uhr. Parallel zur Eröffnung des Mühlenhaupt-Museums wurde der Mittelgang der Markthalle in Kurt-Mühlenhaupt-Boulevard umbenannt. Auf dem Boulevard soll regelmäßig am Montag ein Kunstmarkt stattfinden.

Oskar Huth
Oskar Huth (von Kurt Mühlenhaupt)

Für den Fall der Nüchternheit

Freitag, Juli 18th, 2014

Huth

Huth

Verneinung des Nichts

Ein orientalisches Genie
Berichten die Sagen
Erfand vor vielen hundert Jahren
Die Null. Ein Sieg
Der Mathematik!

Oskar Huth erst
stieg
Auf dieser Leiter
Eine Sprosse weiter:
Er erfand Die durchgestrichne Null –
Und verwendet sie nur
Als Signatur.

(Sigurd Kuschnerus)

Spähneken

Donnerstag, März 22nd, 2012

In einem Berliner Wald

Spähneken

Hallo, Knautschke!

Mittwoch, März 24th, 2010

Im Zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil des Zoos zerstört. Von insgesamt 3715 Tieren überlebten nur 91, unter ihnen zwei Löwen, zwei Hyänen, ein asiatischer Elefantenbulle, ein Flusspferdbulle („Knautschke“), zehn Mantelpaviane, ein Schimpanse, ein Schwarzschnabelstorch und ein Schuhschnabel.

Grüß Dich, Alter

Als [Knautschke] im gesegneten Nilpferdalter von 45 Jahren starb, nahm der Tierplastiker Manfred Gräfe seine Maße und modellierte die Vorlage für den Bronzeguss. Das ausladende Standbild ist direkt am Flusspferd-Gehege zu finden.
(mehr hier)

Currywurst

Donnerstag, Dezember 17th, 2009

Die mobile Wurst – Ein Gespräch mit der Stadtforscherin Noa Ha in der Zeit

Eine Wurst für Johnny Depp
Wurstmaxe

Currywurstmuseum
Currywurstmuseum

Konnopke
Konnopke

Der Alte und der See

Samstag, Dezember 5th, 2009

Rummelsburger See

Seit 39 Jahren lebt Peter Fuchs auf einem Boot in der Rummelsburger Bucht
(Ein Artikel von Claudia Fuchs 2003 in der Berliner Zeitung)

Fuchs1

Den letzten Besuch hatte Peter Fuchs, als die Mauer noch stand. Aber wozu braucht er auch Gäste? – Peter Fuchs hat doch Käthe. 39 Jahre seines Lebens hat er mit ihr verbracht, er hat Geld und Zeit in sie investiert, und sie hat ihm Schutz geboten, Geborgenheit, ein Zuhause. Und absolute Einsamkeit: Käthe ist ein Lastkahn, 19 Meter lang, 3,92 Meter breit und der Lebensmittelpunkt von Peter Fuchs. Seit 1964 liegt das Schiff am Ufer des Rummelsburger Sees und genauso lange lebt Fuchs dort in selbst gewählter Isolation.

Fuchs2

Der 61-Jährige braucht nicht viel: Er hat keinen Strom, keine Toilette, keine Waschmaschine, keinen Kühlschrank. Im Sommer kocht er mit dem Spirituskocher, im Winter macht er das Essen auf der Kochmaschine warm, die zugleich als Heizung dient. Wenn Fuchs fernsehen will, liefern ihm 12-Volt-Batterien den Strom. Geld bekommt der frühere Schlosser vom Amt, Kontakt zu anderen Menschen meidet er.

Otto Nagel

Donnerstag, April 3rd, 2008

Das ist der Rote Salon im Palais am Festungsgraben. Im Palais findet gegenwärtig eine vom Mitte Museum, dem Freundeskreis Otto Nagel e.V. und der Akademie der Künste getragene Otto-Nagel-Ausstellung statt.

Roter Salon

Neben Nagels Bildern sind eine Reihe sehr interessanter Dokumente zu sehen, insbesondere auch zu seinem Wirken als Präsident der Deutschen Akademie der Künste in den Jahren 1956 bis 1962.

Mit pikant aktueller Anmutung liest man Nagels Post an Partei- und Regierungs-Obrigkeiten, in denen er sich gegen den Abriss des Potsdamer Stadtschlosses oder der Schinkelschen Bauakademie stemmt. Für die Wiedererrichtung der Quadriga auf dem Brandenburger Tor sucht er die Kooperation mit Hans Scharoun, dem Präsidenten der Westberliner Akademie-Gegengründung. Zu ihm und seiner Institution unterhält er ungeachtet der spannungsgeladenen politischen Großwetterlage kollegiale Kontakte. Ein Brief von 1960 drückt besorgte Umsicht aus, „weitere Zusammenarbeit nicht (zu) verbauen, damit unser gutes Verhältnis nicht ein Opfer des kalten Krieges wird.“
Den Gralshütern und Alleslenkern ist dieser versöhnlerische „Genosse Künstler“ längst suspekt, für die geplante Ausrichtung auf eine „sozialistische Akademie“ nicht mehr zu gebrauchen. Es war beschlossene Sache: der unbotmäßige Nagel, der sich im Januar 1961 in einem Brief an den stellvertretenden Kulturminister klassenkämpferische Briefmodelle für den Umgang mit „West-Leuten“ verbittet, soll gehen. Der Dogmatiker Alexander Abusch hat Nagel im Januar 1962 das Verdikt zu überbringen und rapportiert an „die Führung“: „Ich habe ihm gesagt, dass er in Ehren ausscheiden soll .“
(aus: Volker Müller Der gesamtdeutsche Genosse Künstler)

Friedrichsgracht
Häuser der Friedrichsgracht, 1941

Zilleball 1927

Sonntag, Februar 3rd, 2008

Zilleball 1927

Da fuhren die Sechstausend zum Zilleball im Sportpalast vor. Eine ganze Stadt, die sich aus Übermut für eine Nacht in Fetzen und Lumpen warf, der Kurfürstendamm in das Gewand der Ackerstraße, die wohlsituierte Brieftasche in den zerschlissenen Rock des letzten Elends.
Aber draußen, am Eingang, durch die Zäune lugend, stark frierend, standen die wirklichen Zilletypen. ( … )
Durch ihr Spalier mußte der Meister Heinrich Zille hindurch, als er nach 1 Uhr, den Kragen hochgeschlagen, das Milieu des Sportpalastes verließ. Seine Modelle erkannten ihn nicht – aber ihm genÜgte die eine Sekunde des Vorbeigehens an der Hundertschaft der hungernden Krüppel und kessen Raben, um sie alle, alle zu sehen und ihrer aller Schicksal zu erkennen. Das hängte sich in seine Gedanken und machte seine Schritte schwer, als er langsam und nachdenklich seiner Mansarde zustrebte. Und er dachte bei sich: »Alles schön und gut, aber ein Zilleball war es nicht. (…) Es ist ja auch gar nicht wahr, daß ich ein Humorist bin. In den Lustigen Blättern sind meine Bilder bloß deshalb erschienen, weil kein anderer als der wackere Dr. Eysler den Mut hatte, sie zu bringen. In Wahrheit waren sie ja zum Weinen statt zum Lachen gemacht. (…) Wenn ich zu bestimmen hätte, wo mein Denkmal hinkäme, möchte ich es lieber vor dem Zentralarbeitsnachweis als auf einem Ball im Sportpalast haben.«
(Peter Sachse im Berliner Journal, Nummer 155, 1927)

Heinrich Zille

Nun, ein Arbeitsamt gibt es da nicht, aber im Nikolaiviertel steht seit einigen Wochen die Skulptur eines sehr schlanken Heinrich Zille. Die Skulptur wurde von Torsten Stegmann anlässlich des 150. Geburtstages von Zille geschaffen.
Es gibt gegenwärtig einige Ausstellungen zu Zilles Ehren in Berlin, letztens sahen wir auch einige Arbeiten in der Galerie Leo.Coppi.

Willi und Kurt Mühlenhaupt

Dienstag, Januar 15th, 2008

Der lange Jahre in der Blücherstraße ansässige Händler, Kneipier, Drucker und Malerpoet Kurt Mühlenhaupt (1921 – 2006) beschäftigte sich 1977 mit der Emailletechnik. Es entstanden 4 auf Edelstahlstelen montierte Emaillebilder für die Grabstätte Mühlenhaupt. Die Grabstätte auf dem Gottesacker der Brüdergemeinde wurde anlässlich des Todes des Malers und Allesmachers Willi Mühlenhaupt (1907 – 1986, Bruder von Kurt) erworben. Die Stelen wurden irgendwann geklaut.
1988 schuf Kurt Mühlenhaupt die Betonstelen. Die waren bis jetzt zu schwer zum Stehlen.

Grabstätte Mühlenhaupt

Mein Bruder [Willi] war sechzehn Jahre älter als ich, und doch war ich für ihn der Vater, und er war für mich das große Kind. Manchmal hatte ich es schwer mit ihm. Es kam schon mal vor, daß ich ihn aus irgendeiner Kneipe mit der Schubkarre nach Hause bringen mußte. Aber er war kein Trinker. Er ließ sich nur allzugern verladen. Seine Possen, die er trieb, geschahen stets unüberlegt und ungewollt. Er war wirklich ein wahrhaftiger Naiver. Da mein Bruder unentwegt asthmatische Anfälle bekam, hatte er ständig Angst, zu ersticken. Er pumpte und pumpte mit seinem Ball, wuselte nachts umher und schlief am Tage beim Laufen, im Sitzen und beim Essen, wahrscheinlich vom hohen Zucker. Aber es war immer nur ein kurzes Nicken. Ich gab ihm Farbe und Papier, damit er seine Krankheiten vergessen sollte. Von nun ab malte er unentwegt. Alle um ihn herum nahmen ihm die Bilder ab. Er malte immer schneller. Was er gebraucht hätte, waren Käufer, die richtig ein paar Mark dafür zahlen. Es waren Hampelmänner, Hampelfrauen, Hampelpferde, die auf den Bildern strampelten. Auch Dinosaurier hampelten, lange bevor sie in Mode kamen. Ein anderes Mal faszinierten ihn die Märchen. Er bastelte Esel streck dich und Knüppel aus dem Sack. Es verstand sich von selbst, daß er Pfennige, Groschen und Markstücke in seinen Bildern verarbeitete, die schon aus diesem Grund einen gewissen Wert hatten. Am liebsten malte er Hans im Glück, bei dem man nie das Gefühl los wurde, daß er sich selbst darstellte.
(aus: Katalog Kurt Mühlenhaupt zum 80. Geburtstag, 2001)