Das Wetter hauptsächlich
die sonne strahlt die kälte klirrt
die wolke schwebt die fliege schwirrt
die winde wehn die sonne sticht
der regen fällt der mond fällt nichtRor Wolf, 1956
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Wetter
Donnerstag, April 11th, 2013Lesen
Freitag, Juni 29th, 2012Zum 80. Geburtstag des großen Ratschlägers Ror Wolf werden wir mit einem Horrorroman beschenkt.
Lesen. Das Lesen bietet einen unerschöpflichen Quell von Unterhaltung und Bildung und ist das Mittel, die Langeweile, die Kalamität der vornehmen Welt, zu verscheuchen. Für das Familienleben empfiehlt es sich, abendliche Lesestunden festzusetzen und über das Gelesene mit Ernst zu diskutieren. Das ist ungemein anregend, erweitert den geistigen Horizont, erstickt die Sucht nach dem Wirtshausbesuch und den Hang zu allerlei Allotria. Freilich kommt es sehr darauf an, was gelesen wird. – In der Wahl der Lektüre moderner Schriften sei man sehr vorsichtig. Schriften, die nicht zu denken geben, halte man fern, wähle solche, die zugleich das Wissen bereichern, den Charakter läutern und stählen, den Geschmack veredeln, gesunde Gesinnungen zum Ausdruck bringen und einflößen. Im Bett zu lesen ist keine gute Gewohnheit, auf alle Fälle darf nur eine wirklich gute, in keiner Weise aufregende Lektüre in Betracht kommen. Man gehe auch nie in den Kleidern zu Bett, es vermindert die Schlaftiefe. Auch vergrabe man den Kopf nicht zu tief in den Kissen und liege überhaupt möglichst, wie oben beschrieben, unparfümiert.
(aus: Raoul Tranchirers vielseitiger großer Ratschläger für alle Fälle der Welt – Ror Wolf, Schöffling & Co., 1999)
Balkon Nr. 38
Freitag, November 18th, 2011MOND.
Etwas, das frei in der Luft schwebt und sich dreht, ohne daß es auf irgendeiner Unterlage aufliegt und ohne daß es herunterfällt, ist gewiß etwas Merkwürdiges. Etwas, das von selbst seinen geheimnisvollen Umlauf beginnt und fortsetzt, rund und bleich wie der Mond, ist etwas Bemerkenswertes. Wir erwarten ein Murmeln des Erstaunens über die Lautlosigkeit dieses Vorgangs, der dem Zuschauer nicht nur geheimnisvoll, sondern eigentlich unheimlich erscheinen müßte; dennoch wird er gar nicht beachtet. Diese ganze außerordentliche Vorrichtung schwebt über uns dahin, dünn und flach, und wir halten sie für eine der selbstverständlichsten Erscheinungen der Welt, die nicht besonders hervorgerufen zu werden braucht. Wir tun es hier aber dennoch. Wir loben den Mond, der uns mit riesiger Geschwindigkeit umschwirrt.
(Ror Wolf)
Schöne Augen
Samstag, April 9th, 2011Unterwegs im Ruhrgebiet (12)
Dienstag, Mai 11th, 2010Die größte begehbare Camera Obscura der Welt steht in Mülheim an der Ruhr.
Loch. Wir bohren ein Loch in unseren Fensterladen, wie das bereits vor mehr als vierhundert Jahren der berühmte Leonardo da Vinci tat. Wenn nun der Lichtstrahl durch dieses Loch auf die Wand fällt, dann sehen wir dort ein deutlich verkleinertes Bild der Häuser und Bäume. Das sind Tatsachen, die durch kein auch noch so geschicktes Hinwegsehen aus der Welt zu schaffen sind.
(Ror Wolf in Tranchirers letzte Gedanken …)
Winter in Berlin
Freitag, Januar 8th, 2010Winter. Die Gefahr des Erfrierens rückt plötzlich in die Nähe des Möglichen. Wir sehen, wie jeder versucht, seine Oberfläche zu verkleinern; jeder ballt die Hände und zieht sie über der Brust zusammen. Frösteln und Zittern wirkt nach dem oben Gesagten steigernd auf die allgemeine Wärmeproduktion, das weiß jeder, und darum erfriert auch nicht jeder; die Todesfälle im Winter beziehen sich in der Mehrzahl auf mangelhaft bekleidete Betrunkene und abgezehrte Personen.
Diese Weisheit habe ich aus meinem Lieblingsnachschlagewerk: Raoul Tranchirers vielseitiger großer Ratschläger für alle Fälle der Welt. Und diesmal ist Winter der Fall.
Bei Schöffling und Co. erscheint RWW, die Ror Wolf Gesamtausgabe.
Die lasterhaften Straßen von Berlin
Dienstag, März 17th, 2009Die lasterhaften Straßen von Berlin
Die Hüte lasterhafter Männer und die Hosen
die Röcke lasterhafter Damen und die großen
die großen lasterhaften Augen und die Blasen
die großen Blasen auf den lasterhaften StraßenAuf den zerschlitzten Sitzen Blut und schwere Füße
der tiefe Morgenschmerz der Rost die Regengüsse
die roten Köpfe und die Windgeschwindigkeiten
der Kot die Wassernot der Sturm die TrockenheitenAm Anfang nackt und blind wie kleine dicke Bohnen
wie dicke Bohnen nackt und blind auf den Balkonen
am Ende dick auf den Balkonen nackt und blind
der Wind drückt meine Stimme in den Mund: der Wind1971 (Ror Wolf)
Hitze
Mittwoch, Juli 2nd, 2008
Sonnenbad, Alfredo Ceschiatti, Hansaviertel
Das Schönheitsgefühl wird durch den Grad der ruhigen Beschauung hervorgerufen, der Verdauung durch das Auge, wie Wobster in seinen Schriften über das Schöne behauptet.
(Ror Wolf in: Tranchirers letzte Gedanken über die Vermehrung der Lust und des Schreckens, Anabas 1994)