Archive for Dezember, 2008

Ein Jahr später …

Sonntag, Dezember 14th, 2008

Gib der Kunst Raum 2007
2. Dezember 2007

Ein Jahr später ist der Spruch vollendet. Der Container, das Klo und der Bauwagen sind weggeräumt. Die Kunst hat Raum.

Gib der Kunst Raum 2008
14. Dezember 2008

gib der kunst raum,
dann wird sich die schönheit ihrer seele in freiheit entfalten.
Leo Königsberg

Factory-Berlin
Die Factory-Berlin entstand vor zehn Jahren in Oberschöneweide aus der Künstlergruppe T.R.O. (Tiefenrausch Ost) und war immer eine Begegnungsstätte speziell für europäische und osteuropäische Künstler und ist heute eine Begegnungsstätte für Künstler aus aller Welt.

Gänseliesel

Samstag, Dezember 13th, 2008

Gänseliesel
Gänselieselbrunnen von Cuno von Uechtritz-Steinkirch

Es war einmal eine arme junge Magd von Liebreiz, Anmut und Ebenmaß. Sie wurde von jedermann Gänseliesel gerufen, weil sie bei einem Grafen in Diensten stand, dessen Gänse sie hütete. Der Graf lebte mit seiner Familie auf einer herrschaftlichen Burg, die ein edles Geschlecht vor langer Zeit errichten ließ. Sie lag hoch oben über einer fruchtbaren Ebene auf einem Berg. Ihr schlanker Turm ragte stolz in den Himmel hinauf und ihre wehrhaften Mauern hatten schon manchem Feind getrotzt.
(und hier geht es weiter, Das Gänseliesel, erdacht und aufgeschrieben von Hans-A. Piper)

Das ist die Geschichte des Göttinger Gänseliesels.
In Berlin erzählt man diese Geschichte (Grimm!!!) und Falada habe ich auch entdeckt.

Schädel
„O du Falada, da du hangest“  in der Fasanenstraße

Brüderstraße

Freitag, Dezember 12th, 2008

11-12

Das ist das Eingangsportal eines weiteren bemerkenswerten Hauses in der Brüderstraße. In der Brüderstr. 11/12 befindet sich die Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund.

Das Gebäude wurde 1905 als Kontor der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt von den Architekten Reimer & Körte errichtet. Bis 1989 war hier die Staatliche Versicherung der DDR untergebracht. Nach der Wiedervereinigung erwarb der Freistaat Sachsen die Immobilie vom Bund. Die Renovierungs- und Umbauarbeiten für 11,25 Mio. Euro begannen im August 1998, am 15. März 2000 eröffnete Sachsen seine Landesvertretung. Das Haus steht unter Denkmalschutz. Die Vorderseite ist mit barockähnlichem Sandstein-Dekor verkleidet, das Anklänge an den Jugendstil aufweist. Der Innenhof ist überdacht.

Schöne Bäuerin

Airbag oder Mine?

Donnerstag, Dezember 11th, 2008

schlaff
Fabrice Gygi im COMA

Immer geht es um Wechselwirkungen von Schutz und Aggression. Fabrice Gygi hat sich in den letzten Jahren als subtiler Kritiker von Macht- und Autoritätsstrukturen hervorgetan. Seine Objekte und Installationen bestehen oft aus funktionellen Ausstattungsgegenständen, aus Bühnen, Zelten, Absperrungen, polizeilichen Gerätschaften, wie sie bei öffentlichen, gesellschaftlichen Ereignissen sportlicher oder politischer Natur zeitlich befristet und örtlich ungebunden eingesetzt werden. Diese stecken Handlungsfelder ab. Fabrice Gygi reflektiert soziale und autoritäre Mechanismen, die gesellschaftlichen Ereignissen zugrunde liegen – bisweilen auch gerade dadurch, dass er Assoziationen mit bedrohlichem Unterton inszeniert und „Gefahrenzonen“ schafft, die das Herkommen ihres bedrohlichen Potentials im Unklaren lassen. Er realisiert ein Wartehäuschen für eine Bushaltestelle, Tribünen, Wahlkabinen, Zufluchtsorte, die mit der Ausübung von Macht verbunden sind, oder auch aufblasbare Gegenstände, die schützen (Airbags) oder verletzen (Seeminen).
(hier)

Ein Pan in der Kurfürstenstraße

Dienstag, Dezember 9th, 2008

PAN

Im Hof der Galerie Giti Nourbakhsch steht ein Pan von Sean Landers.

Als 490 v.u.Z. das persische Heer unweit Athens gelandet war, flehten die Athener die Götter um Beistand an. Die nachhaltigste Hilfe sollen sie der Sage nach von Pan erhalten haben, der unter den persischen Kriegern eine Panik auslöste. Zum Dank dafür weihten sie dieser Gottheit eine Grotte am Fuße der Akropolis und ehrten sie alljährlich mit Fackelläufen. Die Römer setzten ihren Feld- und Waldgott Faun mit dem Pan gleich. Seine Gemahlin war Fauna, die Göttin der Tiere.
Der neckische Hirtengott löste aber auch unter den Herden einen Schrecken aus, besonders in der brütenden Mittagshitze. Diese liefen in panischer Furcht davon. Der bocksfüßige Pan oder Faun stellte in Hain und Flur auch gern den Nymphen nach, die er verfolgte und zu erhaschen versuchte, ein beliebter Vorwurf der antiken wie der modernen Kunst. Vielleicht liefen die Nymphen aber nur davon, um die Faune aufzureizen. Woher käme sonst der Begriff Nymphomanie, worunter man gemeinhin Mannstollheit versteht?
Einige Griechen brachten den Namen des Gottes Pan mit dem Wort „pan“ in Verbindung, das All bedeutete. Sie wollten in ihm die Gottheit der allumfassenden Natur sehen. Jedoch ist der Gleichklang der beiden Worte nur zufällig.
Das griechische Wort „Pan“ in der Bedeutung „All“ wurde in der Neuzeit zur Bildung zahlreicher Begriffe verwendet. Panslawismus hießen zum Beispiel die Bestrebungen zur Vereinigung aller slawischen Völker. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam das Schlagwort „Panamerika“ für eine Zusammenfassung aller amerikanischen Staaten auf. 1923 erschien unter dem Titel „Paneuropa“ eine Schrift des Grafen Coudenhove-Kalergi. In ihr wurde der Zusammenschluß aller europäischen Staaten zu einem Alleuropa propagiert. Die Anhänger dieser Idee gründeten eine Paneuropäische Union mit Filialen in vielen Ländern.
Nach einer witzigen Klatschlegende, die freilich mit der Odyssee nicht übereinstimmt, soll Penelope während der Abwesenheit ihrem Gatten Odysseus ein Kind geboren haben, das den Namen Pan erhielt, weil „alle“ Freier an seiner Zeugung beteiligt waren.
(aus:
Helmut Wolle
Götter, Mumien und Hetären
Kulturgeschichtliche Miniaturen
Volk und Wissen, Berlin 1983)

Zweifel

Montag, Dezember 8th, 2008

ZWEIFEL
Lars Ramberg, Installation 2005 auf dem vergehenden Palast der Republik

Der Palast ist weg, der Stadtschlosswettbewerb ist entschieden, die Zweifel bleiben.

Wie genial Rambergs Installation war, zeigt sich jetzt. Die ZWEIFEL-Buchstaben sind weg, der Zweifel aber scheint zuzunehmen. Live in einer Ausstellung Unter den Linden und virtuell im Internet (www.berliner-zeitung.de) ist jetzt zu betrachten, was geschieht, wenn die Demokratie nicht nur Bauherr, sondern Architekt sein will, wenn die Hauptstadt der Kreativen die Kreativität von Architekten und Baukünstlern aus aller Welt zwischen drei vorgegebene Fassaden einzwängt wie in einen Schraubstock.
(aus: Plädoyer für den Zweifel
Thomas Rogalla in der Berliner Zeitung)

Schlossplatz

Falter

Sonntag, Dezember 7th, 2008

Faltung

Katja Strunz in Contemporary Fine Arts

Wer vom Revival der klassischen Moderne noch nicht ganz überzeugt ist, sollte sich die jüngsten Skulpturen und Reliefs von Katja Strunz ansehen. Die Künstlerin ist eine Pionierin des neuen Formalismus und zeigt nun erstmals eine Einzelausstellung bei Contemporary Fine Arts. Strunz geknickte Dreiecke aus Stahl sitzen so fledermauszart auf den Wänden, dass man sie für dreidimensionale Malewitsch- oder Rodtschenko-Interpretationen halten könnte.
(aus: Monopol kompakt Art Forum Berlin)

Giacometti, der Ägypter

Samstag, Dezember 6th, 2008

Es ist die überraschendste, konzentrierteste, vielleicht schönste Ausstellung des Künstlerreigens – und die unsichtbarste. Die meisten Besucher des Ägyptischen Museums werden sie gar nicht erst wahrnehmen. Der Eingriff ist sehr subtil: Zwölf Skulpturen des Bildhauers Alberto Giacometti haben sich in die Dauerausstellung im Alten Museum geschlichen, sich still und heimlich unter die altägyptischen Skulpturen gemischt, da stehen sie nun, als seien sie immer da gewesen.
(hier)

Giacometti

Giacometti, der Ägypter

Wer dem großen Berliner „Kult des Künstlers“-Reigen ins Ägyptische Museum folgt, sieht sich nicht nur den eindringlichen Blicken von Nofretete und Echnaton ausgesetzt, sondern derzeit auch denen von „Diego“, „Annette“ und „Lotar“. Denn genauso wie vor den altägyptischen Portraitköpfen wird der Betrachter auch vor den Portraitbüsten Alberto Giacomettis in erster Linie selbst zum Betrachteten. Mit den momentan integrierten Werken aus der Giacometti-Stiftung Zürich überwachen für die Dauer der von dem Ägyptologen-Kunsthistoriker-Duo Dietrich Wildung und Christian Klemm konzipierten Ausstellung „Giacometti, der Ägypter“ noch mehr scharf umrandete Augen und unbeirrbare Blicke als sonst die Skulpturensäle des Ägyptischen Museums im Alten Museum. Dass die Werke Altägyptens und der klassischen Moderne eine Spanne von mehr als 3000 Jahren zwischen sich entfalten, kann dabei leicht in Vergessenheit geraten – sodass Maurizio Nannuccis Lichtinstallation „All Art has been contemporary“ an der Fassade des Alten Museums zur Zeit einen großen Auftritt hat.
(mehr hier)

All Art

Warum bist du der Fliege Feind, o Kellner?

Mittwoch, Dezember 3rd, 2008

Spaziergang
Joseph Roth, Berliner Börsen-Courier, 24.05.1921 (Auszug)

Was ich sehe, ist der lächerlich unscheinbare Zug im Antlitz der Straße und des Tages. Ein Pferd, das mit gesenktem Kopf in den gefüllten Hafersack sieht, vor eine Droschke gespannt ist und nicht weiß, daß Pferde ursprünglich ohne Droschken zur Welt gekommen sind; ein Kind am Straßenrande, das mit Murmeln spielt und dem zweckmäßigen Wirrwarr der Erwachsenen zusieht und, vom Trieb zur Nutzlosigkeit erfüllt, nicht ahnt, daß es die Vollkommenheit der Schöpfung bereits darstellt, sondern sich im Gegenteil nach Erwachsensein sehnt; einen Schutzmann, der sich einbildet, absoluter Ruhepunkt im Wirrsal des Geschehens zu sein und die Säule irgendeiner ordnenden Macht. Feind der Straße und hierhergestellt, um sie zu bewachen und den schuldigen Tribut an Ordnungssinn von ihr einzukassieren. Ein Mädchen sehe ich im Rahmen eines offenen Fensters, Bestandteil der Mauer und voll Sehnsucht nach Befreiung aus der Umklammerung der Wand, die ihre Welt ist. Einen Mann, der, tief in die Schatten eines winkelreichen Platzes gedrückt, Papierschnitzel sammelt und Zigarettenstummel. Eine Litfaßsäule an der Spitze der Straße, Motto dieser Straße, mit einem kleinen Wind-Gesinnungsfähnchen an der Spitze. Einen dicken Herrn mit Zigarre und im hellen Sakko, der aussieht wie der verkörperte Fettfleck eines Sommertags. Eine Cafeterrasse mit bunten Damen bepflanzt, die warten, bis sie gepflückt werden. Kellner in weißen Gewändern, Portiers in blauen, Zeitungsverkäufer, ein Hotel, einen Liftboy, einen Neger.

Wo
Joseph-Roth-Diele

Was ich sehe, ist der alte Mann mit der dünnen Fisteltrompete aus Blech am Kurfürstendamm. Ein Bett dessen Tragik auf ihren Besitzer deshalb so aufmerksam macht, weil sie unhörbar ist. Manchmal ist die Fisteltrompete, die kleine Trompete aus weißem Blech, stärker, wirkungsvoller als der ganze Kurfürstendamm. Und die Handbewegung eines Kellners auf der Cafeterrasse, der eine Fliege totschlagen will, ist inhaltsreicher als die Schicksale aller Cafeterrassengäste. Es gelang der Fliege zu entkommen, und der Kellner ist enttäuscht. Warum bist du der Fliege feind, o Kellner? Ein Invalide, der eine Nagelfeile gefunden hat. Jemand, eine Dame, hat die Nagelfeile verloren, an der Stelle, wo der Invalide sitzt. Nun beginnt der Bettler, seine Nägel zu feilen. Mit diesem Zufall, der ihm eine Nagelfeile in die Hand gespielt hat, und durch diese geringfügige Handlung des Nagelfeilens hat er symbolisch tausend soziale Stufen übersprungen. Ein Hund, der einem fliegenden Kinderball nachhetzt und vor dem leblos liegenden Gegenstand haltmacht und nicht begreifen kann, wie so ein dummes hirnloses Gummiding lebendig und witzig hüpfen kann, ist ein Held eines Augenblicksdramas. Nur die Kleinigkeiten des Lebens sind wichtig.
Was kümmert mich, den Spaziergänger, der die Diagonale eines späten Frühlingstages durchmarschiert, die große Tragödie der Weltgeschichte, die in den Leitartikeln der Blätter niedergelegt ist? Und nicht einmal das Schicksal eines Menschen, der ein Held sein könnte einer Tragödie, der sein Weib verloren hat oder eine Erbschaft angetreten oder seine Frau betrügt oder überhaupt mit irgend etwas Pathetischem in Zusammenhang steht. Jedes Pathos ist im Angesicht der mikroskopischen Ereignisse verfehlt, zwecklos verpufft. Das Diminutiv der Teile ist eindrucksvoller als die Monumentalität des Ganzen. Ich habe keinen Sinn mehr für die weite, allumfassende Armbewegung des Weltbühnenhelden. Ich bin ein Spaziergänger.
(aus: Joseph Roth in Berlin Ein Lesebuch für Spaziergänger, Hrsg. Michael Bienert)

Die Gedenktafeln am Nicolaihaus

Dienstag, Dezember 2nd, 2008

„Der Buchhändler Christoph Friedrich Nicolai – bewundert viel und viel gescholten – hat [im Haus Brüderstr. 13] allerlei Kluges und leider noch weit mehr pedantisch Dummes geschrieben und verlegt, und im Sommer 1811 sang hier der zwanzigjährige Bergakademiker Theodor Körner seine Lieder. Erinnerungstafeln schmücken die Front des Hauses, und die Stadt Berlin, die sie gestiftet, unterscheidet mit feiner Dialektik den Dichter vom Philister: Dieser ,wohnte und wirkte‘, jener ,weilte und dichtete‘ hier.“
Das schrieb mein berlinischer Wegbereiter Adolf Heilborn vor 50 Jahren in seiner „Reise nach Berlin“.
Seitdem sind weitere Gedenktafeln hinzugekommen. Für Christian Gottfried Körner, Minna Körner, geb. Stock -Theodors Eltern – und für die Malerin Dora Stock (Minnas Schwester), die 1815 bis 1828 hier wohnten, sowie für Elisa von der Recke und August Tiedge (1814/15 im Hause). Am 11. Dezember 1958, dem 200. Geburtstag des Maurermeisters, Musikprofessors und Duzfreund Goethes, Carl Friedrich Zelter, wurde eine fünfte Gedenktafel angebracht. Zelter war nämlich oft Gast in dem aus der Zeit des ersten Preußenkönigs stammenden Hause, das er 1787 für den neuen Besitzer Nicolai umgebaut hatte.

So steht es in „Pomplun’s Grosses Berlin Buch“. Inzwischen gibt es noch eine sechste Gedenktafel für Ludwig Jonas, dem Prediger an der Nikolaikirche.

Carl Friedrich Zelter

Theodor Körner

Dora Stock

Friedrich Nicolai

Elisa von der Recke

Ludwig Jonas

Im Märkischen Dichtergarten gibt es ein interessantes, von Günter de Bruyn herausgegebenes Büchlein zu Friedrich Nicolai. Darin Nicolais Roman Vertraute Briefe und die Goethe-Parodie Freuden des jungen Werthers.
Sehr schön auch die von de Bruyn zusammengestellten zeitgenössischen Nicolai-Schmähungen, darunter Goethes Antwort:

Freuden des jungen Werthers

Ein junger Mensch, ich weiß nicht,
Starb einst an der Hypochondrie
Und ward dann auch begraben.
Da kam ein schöner Geist herbei,
der hatte seinen Stuhlgang frei,
Wie’s denn so Leute haben.
Der setzt notdürftig sich aufs Grab
Und legte da sein Häuflein ab,
Beschaute freundlich seinen Dreck,
Ging wohl eratmet wieder weg
Und sprach zu sich bedächtiglich:
„Der gute Mensch, wie hat er sich verdorben!
Hätt‘ er geschissen so wie ich,
Er wäre nicht gestorben!“