Posts Tagged ‘Lyrik’

Konzert

Donnerstag, Oktober 28th, 2010

Doppelflöte

Wende

Nun ist der Herbst schon fast zu Ende
Und ohne Wiederkehr versunken.
Ein Teil geschaffen und getrunken,
Ein Teil geliebt, ein Teil war Wende.

Und die noch kaum mein eigen war,
Die Welt der Lieder und Gedichte
Ward langsam, leicht mir wunderbar,
wird mir vielleicht gar zu Geschichte.

(Jürgen Berlin,
nach einem Gedicht von H. Hesse)

Ein Lied

Konzert

Der Kirschdieb

Montag, Oktober 18th, 2010

Kirschdieb
Fassadenbild in Weissensee von Skip Pahler, 1986

Der Kirschdieb

An einem frühen Morgen, lange vor Hahnenschrei
Wurde ich geweckt durch ein Pfeifen und ging zum Fenster
Auf meinem Kirschbaum – Dämmerung füllte den Garten –
Saß ein junger Mann mit geflickter Hose
Und pflückte lustig meine Kirschen. Mich sehend
Nickte er mir zu, mit beiden Händen
Holte er die Kirschen von den Zweigen in seine Taschen.
Noch eine ganze Zeitlang, als ich wieder in meiner Bettstatt lag
Hörte ich sein lustiges kleines Lied pfeifen.

(Bertolt Brecht, 1938)

Ich auch

… dabei bin ich doch schon älter

Montag, Oktober 11th, 2010

Kloster3
Berndt Wilde

Einsamkeit

Sehnst du dich nach mir?
Bin ich, ja ich, gemeint?
Ach wärst du doch jetzt hier,
Ach wären wir heute vereint.
Ich hab so Angst, dich zu verliern.
Liebst du mich noch? Mir scheint,
Du liebst mich anders, kälter?
Törichte Worte, nicht zu kapiern,
Dabei bin ich doch schon älter.

(Jürgen Berlin)

Kloster1
Marie-Luise Bauerschmidt

„Herberge 2010“ – Herbstaktion: Eine Bildhauerausstellung in der Ruine der Franziskaner Klosterkirche

Herbst tröstet

Montag, September 27th, 2010

Nass

Sommer

Von allen Jahreszeiten ist
Der Sommer mir die schwerste.
Was habe ich denn nur vermißt?
Herbst tröstet dann für’s erste.

Im August mit seinen schweren Feldern
werden Sternschnuppen geboren
Über Ostseewellen und dichten Wäldern,
Aber ich fühle mich verloren.

Weil ich so oft alleine bin
In diesen Tagen mit ihrer Hitze?
Die, die ich mag, wo sind die hin?
Ich suche Rausch und schwitze.

Bringt dann September Linderung
Und goldener Oktober dasselbe,
Und der Tage merkliche Minderung,
Sehne ich mich an die Elbe.

(Jürgen Berlin)

Im Wedding

Depression

Dienstag, September 14th, 2010

Schreiender

Depression

Was ist das?
Bezeichnungen sind:
Krebs der Seele;
Unterwelt;
Nachtmahrfahrt;
Dunkle Nacht der Seele;
Quälendste aller Krankheiten.

Die quälendste,
gewissermaßen die Größte?
Geht es nicht kleiner?
Ältere Namen sind
Schwermut oder Melancholie.

Schwierig genug,
Da wieder herauszukommen,
Bleibt es allemal.

(Jürgen Berlin)

Schreiender
Schreiender von Richard Hess, 1975

Meiner wesentlichen Jahre Stunden

Dienstag, September 7th, 2010

Moiren - Schicksal hinterm Taubennetz
Moiren – Schicksal hinterm Taubennetz, Walter Raemisch

Dennoch

Dennoch von meiner wesentlichen Jahre Stunden
Behalte ich die meisten gut. Soll ich klagen?
Die alten Kränkungen, sie sind verwunden,
Auch die ich zugefügt, kann ich heut tragen.

Wenn sie noch einmal wiederkämen,
Mit Achtsamkeit die alten Fehler mieden,
Wenn sie ein andres Ende nähmen,
Wäre ich dann mehr zufrieden?

(Jürgen Berlin,
nach einem Gedicht von Hermann Hesse)

Berliner Paare

Montag, August 30th, 2010

Schwarz-weißes Paar

Das tanzende Paar

Für immer?

Als stolzes Paar kamen sie her,
Liebend, vertrauend, verbunden.
Der Glanz in den Augen erscheint nicht mehr,
Die Kränkungen sind nicht verwunden.

Wo und wann lief es denn schief?
Tanz der Liebe, Jahr um Jahr?
Wollten hoch hinaus und fielen tief,
Sind in der Krise, aber immer noch Paar.

(Jürgen Berlin)

Bad

Paar

Hunzinger

Paar

August

Mittwoch, August 25th, 2010

Street5

„Einsamer nie als im August“,
Ich habe, bin verloren,
Suche Rausch und suche Lust,
sterbe dahin und werde geboren.

Träge Nächte, mild und reich,
Wo vieles sich vereint im Glück,
Meeresrauschen, Süden, weich
sich gebend, Blick zurück.

Schlaflosigkeit und Schwüle,
Flüchtiger Wünsche Häufung,
Warten auf des Nordens Kühle.
Glaube, Hoffnung, Täuschung.

(Jürgen Berlin,
nach einem Gedicht von Gottfried Benn)

Brecht mit Herz

Mittwoch, Februar 3rd, 2010

Brecht mit Herz

Sonett Nr. 19
Bertolt Brecht

Nur eines möcht ich nicht: daß du mich fliehst.
Ich will dich hören, selbst wenn du nur klagst.
Denn wenn du taub wärst, braucht ich, was du sagst
Und wenn du stumm wärst, braucht ich, was du siehst

Und wenn du blind wärst, möcht ich dich doch sehn.
Du bist mir beigesellt, als meine Wacht:
Der lange Weg ist noch nicht halb verbracht
Bedenk das Dunkel, in dem wir noch stehn!

So gilt kein: »Laß mich, denn ich bin verwundet!«
So gilt kein »Irgendwo« und nur ein »Hier«
Der Dienst wird nicht gestrichen, nur gestundet.

Du weißt es: wer gebraucht wird, ist nicht frei.
Ich aber brauche dich, wie’s immer sei.
Ich sage ich und könnt auch sagen wir.