Posts Tagged ‘Mircea Cartarescu’

Behausung

Montag, August 3rd, 2015

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Brad Hwang (Haus am Waldsee)

Auch ich bin Architekt, wie wir alle. Nacht für Nacht habe ich Häuser gebaut. Nicht benutzbare, sinnlose gewissermaßen, allein von mir bewohnte Häuser, aber diese sind intensiver und
umfassender bewohnt worden, als es jemals sonst ein Raum wurde. Denn ich war stets selber jener Raum, jede Mauer und jeder Zaun und jedes Tor, auch jeder Mensch, der allein und in Gedanken an den vom Ambra der Abenddämmerung feucht angelaufenen Wänden entlanggeht. Nacht für Nacht bewohne ich mich selbst, gehe ich mit mir spazieren, spreche ich mit mir selbst, doch dafür muss ich immer wieder meine innere Stadt neu errichten, wie die Spinne jedes Mal die Fron auf sich nimmt, das runde Netz zu spinnen, das ihr tagsüber vom Hagelregen und den herabfallenden gelben Kastanienblättern zerstört worden ist.
(Mircea Cartarescu, mehr hier)

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Menschenstatuen

Dienstag, November 8th, 2011

Meleager

Im Halbdunkel der Kerzen … erzählte er dir von den Menschenstatuen, die … die Menschheit mimten, die sich lebend stellten, denen gegen Morgen, wie sie da erstarrt auf dem Sockel in irgendeinem verfinsterten Park standen, die Marmorhaut weich zu werden begann, eine leichte Röte die Wangen samtig machte, ein schwarzer Aufguss die blinden Augen färbte, und die anfingen, sich zu bewegen und zu sprechen … Um vier Uhr morgens konnte man ihnen in den Straßen begegnen, auf der Suche nach irgendeinem Verspäteten, den sie zerschmetterten und dem sie die Kleider entrissen. Dann würden sie unter ihnen sein, unmöglich von den anderen zu unterscheiden …, du konntest mit ihnen … arbeiten, deine Tochter konnte einen von ihnen heiraten, aber eines Nachts würde er sich neben seiner drallen Blondine vom Bett erheben, im Vorbeigehen sein aufgerecktes, ganz und gar marmornes Geschlecht betrachten und, nur in den Mantel gehüllt und barfuß, hinaus auf die Straßen der Stadt gehen, um wieder in seinen Park zu gelangen, auf seinen Sockel, um dort für wer weiß wie viele Jahre zu erstarren.
(aus: Mircea Cartarescu Der Körper)