Archive for the ‘Promenadologie’ Category

Zeichnen ist eine andere Art Sprache

Donnerstag, Mai 14th, 2009

aus
gezeichnet
zeichnen

in der AdK am Hanseatenweg

Hanseatenweg

Lese ich mich nicht in den Städten an den Hauswänden entlang, dann sind für mich die in den Wäldern in die Baumstämme geschnittenen Rindenzeichen gewohnte Lektüre. Solch fremde biographische Splitter fügen sich mir zu persönlicher Chronik am Wegesrand.
(Dorothee von Windheim im Katalog der Ausstellung)

Wolf

Zwischen den Schienen

Promenierend kapieren

Sonntag, April 26th, 2009

Berliner Garten

Es schlägt die hohe Stunde der Spaziergänger.

Die Promenadologie (engl. strollology) unternimmt es, unsere gebaute und unverbaute Welt durch Promenieren und Ambulieren besser zu verstehen.
(Carl Friedrich Schröer in der Kunstzeitung 152/April 2009, S. 19)

Rhetorik des Gehens

Dienstag, März 24th, 2009

… weshalb die Leute … sich immer verlaufen … legt etwas bloß, das im Hinblick auf das sich Bewegen in der Großstadt von entscheidender Bedeutung ist:
Der Weg und der, der ihn geht, … befinden sich in einem Gespräch. Die „Rhetorik des Gehens“ ist ein Dialog.

Freundliches Haus

Stell an irgendeiner Kreuzung eine Frage … und der Weg wird dir antworten. Nicht immer offen und freimütig, er wird das eine oder andere Mal flunkern, … wird manchmal lügen, … wird mit einer verführerischen Aussicht locken, um dich in diese oder jene Richtung zu verleiten. Dieses Gespräch gehört zu den Dingen, die das umherwandern in ener Stadt so interessant machen, und ein Meister in dieser Kunst war Dickens.

Königstädtisch

Lange bevor er London erfand, wusste Dickens bereits, dass es die großen Städte in erster Linie aus dem Grund gibt, damit wir in ihnen umherwandern können.

Balance

Ivan Vladislavic, Johannesburg. Insel aus Zufall, A1 Verlag

How might the act of walking influence the writing of poems?

Dienstag, Februar 24th, 2009

und jetzt wieder runter
On the Volcano Route with incredible views of La Palma

Poster Poems: Walking
(seen in wood s lot)

Warum bist du der Fliege Feind, o Kellner?

Mittwoch, Dezember 3rd, 2008

Spaziergang
Joseph Roth, Berliner Börsen-Courier, 24.05.1921 (Auszug)

Was ich sehe, ist der lächerlich unscheinbare Zug im Antlitz der Straße und des Tages. Ein Pferd, das mit gesenktem Kopf in den gefüllten Hafersack sieht, vor eine Droschke gespannt ist und nicht weiß, daß Pferde ursprünglich ohne Droschken zur Welt gekommen sind; ein Kind am Straßenrande, das mit Murmeln spielt und dem zweckmäßigen Wirrwarr der Erwachsenen zusieht und, vom Trieb zur Nutzlosigkeit erfüllt, nicht ahnt, daß es die Vollkommenheit der Schöpfung bereits darstellt, sondern sich im Gegenteil nach Erwachsensein sehnt; einen Schutzmann, der sich einbildet, absoluter Ruhepunkt im Wirrsal des Geschehens zu sein und die Säule irgendeiner ordnenden Macht. Feind der Straße und hierhergestellt, um sie zu bewachen und den schuldigen Tribut an Ordnungssinn von ihr einzukassieren. Ein Mädchen sehe ich im Rahmen eines offenen Fensters, Bestandteil der Mauer und voll Sehnsucht nach Befreiung aus der Umklammerung der Wand, die ihre Welt ist. Einen Mann, der, tief in die Schatten eines winkelreichen Platzes gedrückt, Papierschnitzel sammelt und Zigarettenstummel. Eine Litfaßsäule an der Spitze der Straße, Motto dieser Straße, mit einem kleinen Wind-Gesinnungsfähnchen an der Spitze. Einen dicken Herrn mit Zigarre und im hellen Sakko, der aussieht wie der verkörperte Fettfleck eines Sommertags. Eine Cafeterrasse mit bunten Damen bepflanzt, die warten, bis sie gepflückt werden. Kellner in weißen Gewändern, Portiers in blauen, Zeitungsverkäufer, ein Hotel, einen Liftboy, einen Neger.

Wo
Joseph-Roth-Diele

Was ich sehe, ist der alte Mann mit der dünnen Fisteltrompete aus Blech am Kurfürstendamm. Ein Bett dessen Tragik auf ihren Besitzer deshalb so aufmerksam macht, weil sie unhörbar ist. Manchmal ist die Fisteltrompete, die kleine Trompete aus weißem Blech, stärker, wirkungsvoller als der ganze Kurfürstendamm. Und die Handbewegung eines Kellners auf der Cafeterrasse, der eine Fliege totschlagen will, ist inhaltsreicher als die Schicksale aller Cafeterrassengäste. Es gelang der Fliege zu entkommen, und der Kellner ist enttäuscht. Warum bist du der Fliege feind, o Kellner? Ein Invalide, der eine Nagelfeile gefunden hat. Jemand, eine Dame, hat die Nagelfeile verloren, an der Stelle, wo der Invalide sitzt. Nun beginnt der Bettler, seine Nägel zu feilen. Mit diesem Zufall, der ihm eine Nagelfeile in die Hand gespielt hat, und durch diese geringfügige Handlung des Nagelfeilens hat er symbolisch tausend soziale Stufen übersprungen. Ein Hund, der einem fliegenden Kinderball nachhetzt und vor dem leblos liegenden Gegenstand haltmacht und nicht begreifen kann, wie so ein dummes hirnloses Gummiding lebendig und witzig hüpfen kann, ist ein Held eines Augenblicksdramas. Nur die Kleinigkeiten des Lebens sind wichtig.
Was kümmert mich, den Spaziergänger, der die Diagonale eines späten Frühlingstages durchmarschiert, die große Tragödie der Weltgeschichte, die in den Leitartikeln der Blätter niedergelegt ist? Und nicht einmal das Schicksal eines Menschen, der ein Held sein könnte einer Tragödie, der sein Weib verloren hat oder eine Erbschaft angetreten oder seine Frau betrügt oder überhaupt mit irgend etwas Pathetischem in Zusammenhang steht. Jedes Pathos ist im Angesicht der mikroskopischen Ereignisse verfehlt, zwecklos verpufft. Das Diminutiv der Teile ist eindrucksvoller als die Monumentalität des Ganzen. Ich habe keinen Sinn mehr für die weite, allumfassende Armbewegung des Weltbühnenhelden. Ich bin ein Spaziergänger.
(aus: Joseph Roth in Berlin Ein Lesebuch für Spaziergänger, Hrsg. Michael Bienert)

Tomason

Donnerstag, Oktober 23rd, 2008

Tomason

Der Begriff „Tomason“ geht auf Genpei Akasegawa zurück. Er beschreibt einen zwecklosen Gegenstand, den man auf der Straße entdeckt. … Ein Tomason ist ein Objekt, das nichts mehr mit seinem ursprünglichen Zweck gemein hat. Manchmal kann diese Trennung derart vollständig sein, dass sich der Gegenstand in ein rätselhaftes Gedankenspiel verwandelt. Andererseits ist es aber ebenfalls möglich, dass der ursprüngliche Zweck ganz offenbar bleibt und dadurch seine gegenwärtige Nutzlosigkeit anrührend oder belustigend wirkt. Es kann sich auch um einen Überrest einer größeren Anlage handeln, die zum größten Teil abgebaut worden ist. Oder der Gegenstand ist in sich vollständig und man hat seinen Zweck vergessen. Möglicherweise sind die Leute, die ihn aufgebaut haben, die ihn benutzt haben und brauchten, gestorben oder weggezogen. Vielleicht hat sich auch der Zweck, dem er diente, überholt. Der natürliche Lebensraum des Tomason ist die Straße einer Stadt.
(aus: I. Vladislavic Johannesburg. Insel aus Zufall)

Erinnerung

Donnerstag, September 25th, 2008

Bauarbeiten

Nur zu einer Hälfte schlägt die Erinnerung
in den Kammern des Gedächtnisses Wurzeln:
zur anderen wohnt sie in den steinernen
Straßen in denen wir lebten.
Lional Abrahams

gefunden in:
Ivan Vladislavic
Johannesburg. Insel aus Zufall
A1 Verlag, 2008

… und betritt den Tag

Donnerstag, Juni 19th, 2008

Heckmannhöfe

Ossip Mandelstam dichtete im Gehen. Nicht am Schreibtisch, sondern auf Spaziergängen entstanden viele seiner Gedichte.

Wenn O.M. dichtete, hatte er immer das Bedürfnis, sich dabei zu bewegen. Er ging im Zimmer auf und ab …; oft lief er auf den Hof hinaus, in den Garten, auf den Boulevard oder schlenderte durch die Straßen. … Für O.M. gehörten Dichtung und Bewegung, Gedichte und Umherwandern zusammen.

aus: Jochen Thermanns Essay über Ossip Mandelstams Poetik des Gehens im Gespräch über Dante
in: Kopflandschaften – Landschaftsgänge

Frühling in Berlin

Sonntag, April 6th, 2008

Er hält darfor / daß der Frühling
so rächt die Zeit zum Libben ist
(Arno Holz
Lyrisches Porträt aus dem 17. Jahrhundert)

Nische


Filorindgen /
lihbstes Kindgen /
dein wie Goldt gewundner Zopff
bringt mich deto ümb den Kopff.
Ich schau dich / waß ich kan /
mit steiffen Augen an:
du bist so süß / so klein /
du Turttel-Täubelein!
Alles ist an dir geründet /
wordrauff sich mein Vergnügen gründet;
worhin man dir auch blikkt /
man ist durchauß erqwikkt.

Wanderlust

Montag, März 17th, 2008

WELT Pomona Zipser Ohne Titel, 1999/2000, Lindenstraße

Wanderlust
A history of walking
by Rebecca Solnit
(gesehen in woods lot)

Historically, walking has had many functions; for most people most of the time, of course, it was the only method of getting from one place to another. As Solnit says, „walking is a mode of making the world as well as being in it,“ and it allows us to know „the world through the body and the body through the world.“ This is not merely a theoretical construct. One of Solnit’s principal concerns is that the connection between the body and the world that walking exemplifies has begun to fade as we spend more and more time isolated in technologized cells — SUVs, offices, suburban homes — and trapped in a culture that sees unstructured time alone in the world as inherently unproductive.