Nachtrag, 8. September 2010
„Das Bemerken eines Details kann viel Vorwissen aushebeln. Und das geglückte Detail ist jenes, das für etwas Größeres spricht.“
Habe ich gerade hier hier gelesen.
Archive for the ‘Promenadologie’ Category
Manchmal sind es die Details …
Freitag, September 3rd, 2010Spaziergängerin
Sonntag, August 15th, 2010Wir sind nicht von Natur aus Spaziergänger, aber wir sind auf der Welt, um Spaziergänger zu werden. Um Bäume mit winterbeständigem Laub zu berühren. Um wildwachsenden Rosmarin und Thymian zwischen den Fingern zu zerreiben und daran zu riechen. Sand durch die Finger gleiten zu lassen. Das Fell von Hunden zu streicheln, die nicht zum kläffen bestimmt sind, geschweige denn zum Beissen. Jeden Tag einen neuen Weg zum Aufenthaltsraum zu nehmen. Sich sonnenwarme Walderdbeeren auf der Zunge zergehen zu lassen, den Kiefernharz zu riechen. Und wenn der Mensch sich nicht dafür interessiert, dann hat er seinen Beruf als Mensch verfehlt. Dann hat es keinen Sinn, mit ihm über alle möglichen und unmöglichen Dinge zu reden.
(auch diese Weisheit ist von Spaziergänger Zbinden)
Auf hoher See
Donnerstag, August 12th, 2010Ich frage: „Und Sie selber? Spazieren Sie?“
„Nein, nein, ich habe so viel zu tun.“
Ich kannte viele Leute, die sagten mit Recht:“Ich bin tüchtig. Ich bin erschöpft.“ Mit Inbrunst griffen sie nach Ehrenämtern und Unternehmungen, erwiesen ihre Leidensfähigkeit, ohne den Blick nach links oder rechts zu wenden, hetzten mit Import- und Exportziffern zu Sitzungen und Tagungen in die entlegensten Siedlungen, keuchend wie Wesen, die gebären. Und dann ging’s ans Sterben, und sie entdeckten: Sie hatten die Fahrt übers Meer im Schiffsbauch zugebracht. Keinen sternenüberdachten Ozean gesehen, keine Küsten, von Molen und stinkenden Häfen umkränzt, keine unwirtlichen Eilande, rauchende Vulkane. Keine Möwen schreien gehört. Kein verkrustetes Salz von den Planken gekratzt. Nie einem Ertrinkenden einen Rettungsring zugeworfen. Sie wussten nicht, worüber sie zürnten, und wussten nicht, und wussten nicht, wie sie sich hätten beruhigen können. Schauerlich. Bei Lebzeiten begraben. Aber man muss nicht so leben.
Spazieren führt an Deck des Schiffes.
(… und wieder eine Weisheit von Zbinden)
Kunst des Spazierens
Mittwoch, August 11th, 2010Spazieren ist die älteste Methode geistiger und körperlicher Entfaltung. Adam und Eva sind aus dem Paradies spaziert. Sokrates schlenderte auf einer frisch eingeweihten Straße auf der Suche nach kraushaarigen Jünglingen, denen er einen Tritt versetzen konnte. Jesus und der Teufel spazierten in der Wüste und fachsimpelten angeregt miteinander.
Wissen Sie, was Spazieren heißt? Spazieren heisst: Aneignung der Welt. Den Zufall preisen.
Wie man sich vor einem Spaziergang fühlt, steht oft im umgekehrten Verhältnis zu dem, was der Spaziergang bringen wird. Je schlechter man sich fühlt, desto wundervoller der Spaziergang.
Ohne Übung bleiben die meisten Menschen zweit oder drittklassige Spaziergänger, …, Spaziergänger, die die Sensationen, die ihnen widerfahren, nicht bemerken.
(mehr Spaziergangsweisheiten gibt es bei Spaziergänger Zbinden)
Credo unserer Spaziergänge
Mittwoch, Juni 30th, 2010Spazieren gehen wir sowieso, auch wenn „meine kleinen Füße weh tun.“ Sein uns auf allen Wegen begleitender Satz.
Die Spaziergänge hatten nie ein Thema, nur eine Gegend wurde gewählt. Den Stadtführer machte ich, weil ich Berlin besser kenne, und das Thema fanden wir jedes Mal auf der Straße.
Einmal kam Augusta, seine jüngste Tochter, mit und brachte es auf den Punkt: Papa, es ist gar nicht so schwer, Interessantes zu erleben, man muss nur spazieren gehen. Das ist das Credo unserer Spaziergänge.
(mehr hier zum Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek)
Berlin ist eine Stadt der Würdigkeiten
Dienstag, April 6th, 2010Wer zu Fuß geht, sieht anders.
Ein Interview mit dem Spaziergangswissenschaftler Bertram Weisshaar.
Wir überqueren gleich die vierspurige Invalidenstraße, das Gelände dahinter sieht eher unwirtlich aus. Ist das typisch für den Spaziergangswissenschaftler: da loszulaufen, wo andere umkehren würden?
Mir geht es darum, offen zu sein, sich einer Sache zu nähern, ohne schon gleich alles beurteilt zu haben. Im Zug oder im Auto habe ich nur einen kurzen Augenblick, mir die Sache anzusehen. Als Fußgänger habe ich ein anderes Maß der Geschwindigkeit und der Herausforderung. Meine Praxis ist es, Orte aufzusuchen, die eher ungewöhnlich sind; Orte, zu denen der klassische Spaziergang nicht hinführt. In der Regel zeigt sich überall etwas Beachtenswertes. Man spricht ja gern von Sehenswürdigkeit, aber es gibt auch Denkwürdigkeiten, Merkwürdigkeiten.
Vor allem in Berlin.
Sagen wir: Berlin ist eine Stadt der Würdigkeiten. Der Möglichkeiten. Hier kann man Spaziergänge machen, die woanders nicht möglich wären. Und wenn wir in die Literatur schauen, Franz Hessels „Spazieren in Berlin“ aus den Zwanzigerjahren zum Beispiel, dann sehen wir, es gibt eine lange Tradition des Gehens in dieser Stadt.
Der Fußgänger
Dienstag, März 30th, 2010
Rainer Kriester, Woher kommen wir, wohin gehen wir …, 1975
Die erste Ausgabe von The Pedestrian erscheint Ende Mai. Wir sind gespannt.
Traurige Geschäftsschilder
Dienstag, Februar 23rd, 2010Ein anderer kam ihm nach und erzählte folgendes: Wenn er durch die Straßen gehe – und noch aufregender sei es aber, wenn man mit der Elektrischen fährt -, zähle er schon seit Jahren an den großen lateinischen Buchstaben der Geschäftsschilder die Balken (A bestehe zum Beispiel aus dreien, M aus vieren) und dividiere ihre Zahl durch die Anzahl der Buchstaben. Bisher sei das durchschnittliche Ergebnis zweieinhalb gewesen; ersichtlich sei dies aber keineswegs unverbrüchlich und könne sich mit jeder neuen Straße ändern: so wird man von großer Sorge bei Abweichungen, von großer Freude beim Zutreffen erfüllt, was den läuternden Wirkungen ähnle, die man der Tragödie zuschreibt. Wenn man hingegen die Buchstaben selbst zähle, so sei, …, die Teilbarkeit durch drei ein großer Glücksfall, weshalb die meisten Aufschriften geradezu ein Gefühl der Nichtbefriedigung hinterlassen, das man deutlich bemerkt, bis auf jene, die aus Massenbuchstaben, das heißt aus solchen mit vier Balken, bestehn, zum Beispiel WEM, die unter allen Umständen ganz besonders glücklich machen. Was folge daraus, fragte der Besucher. Nichts anderes, als daß das Ministerium für Volksgesundheit eine Verordnung herausgeben müsse, die bei Firmenbezeichnungen die Wahl von vierbalkigen Buchstabenfolgen begünstige und die Verwendung einbalkiger wie O, S, I, C möglichst unterdrücke, denn sie machten durch ihre Unergiebigkeit traurig!
Robert Musil in: Mann ohne Eigenschaften
Wenn Spaziergänge zum Kunstwerk werden …
Mittwoch, August 12th, 2009Richard Long Heaven and Earth in der Tate Britain, nur noch bis zum 6. September
Dass ein Spaziergang, eine Wanderung zum Kunstwerk werden könnte, war dann nur ein nächster Schritt. Diese erste Reise, im Frühjahr 1967, führte ihn, teils zu Fuß, teils als Tramper, von London auf den Gipfel des höchsten schottischen Bergs, Ben Nevis. Sie dauerte sechs Tage, und jeden Tag um elf Uhr machte er zwei Fotos, beim einen richtete er den Fotoapparat nach oben, beim anderen nach unten. Diese Bilder sind das einzige Zeugnis der Reise mit dem Titel „Ben Nevis Hitch-Hike“ (1967).
(mehr hier, H. Pietsch in ART Das Kunstmagazin, August 2009)


















