So, das war es dann erst einmal aus Münster. Schön war’s. Nächste Woche geht es zur Documenta. Wir sind gespannt.
Sany (Samuel Nyholm)
Am 4. Januar 1966 erstellte On Kawara sein erstes Date Painting und begann damit eine fortlaufende, konzeptionell zeitlich unbegrenzte Serie Today, die über 2000 einzelne Bilder umfasst.
On Kawaras Arbeit „Pure Consciousness“ ist besonderen Betrachtern vorbehalten: Kindern. Der Künstler verließ 1998 bewusst den Museumsraum und installierte sieben seiner Datumsbilder in einem Kindergarten in Sydney. Seitdem reisten sie in weitere 20 Kindergärten u.a. in Reykjavik, Abidjan, Shanghai, in den Regenwald und die Karibik. Anlässlich der Skulptur Projekte Münster 2017 haben die Kinder der städtischen Kindertageseinrichtung Berg Fidel im Frühjahr mehrere Wochen mit den „Date Paintings“ verbracht. Das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster zeigt im Foyer eine Dokumentation über „Pure Consciousness“.
On Kawara: Pure Consciousness at 19 Kindergartens (a review of an exhibition by Jessica Brier)
Youmbis Installation befindet sich auf dem stillgelegten Überwasserfriedhof. In unmittelbarer Nähe zum Grab des Generals Ludwig Roth von Schreckenstein sind in circa zehn Metern Höhe vier Masken angebracht. Vier weitere kleinere Masken hängen direkt in den Bäumen.
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Wer kennt Ludwig Roth von Schreckenstein? Wer kennt Annette von Droste-Hülshoff? Was überdauert, Politik oder Poesie, Militär oder Muse, Wichtigkeit im Leben oder Worte für die Ewigkeit? Es gibt wohl nur einen Ort in Münster, wo diese Fragen brennend werden: der alte Überwasserfriedhof. Dort hat der schottische Bildhauer Ian Hamilton Finlay 1987 bescheiden einen 35 mal 75 mal 20 Zentimeter großen Sandstein an einer Pappel anbringen lassen.
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Das ist der Nuclear Temple von Thomas Schütte.
Schütte platziert die drei Meter hohe, 2,5 Tonnen schwere, malerisch oxidierte Stahlskulptur auf dem Gelände des Alten Zoos: in die Mitte eines überschaubaren, teils von flachen Mauern gerahmten Areals, direkt auf dem sandigen Boden. Der architektonische Körper ist an seinen acht Seiten von je einem Torbogen geöffnet, über welchem sich, im oberen Drittel der acht Flächen, je drei rückseitig geschlossene Fensternischen befinden. Der Maßstab von Toren und Nischen verweist auf den Modellcharakter des Werkes, das Vorbild für einen oktogonalen Kuppelbau sein könnte. Den Innenraum teilen sechzehn, zwischen die acht Tore gesetzte Stahlwände, die sich auf das Zentrum der im Prinzip kreisrunden Grundfläche ausrichten. Je zwei Wände schließen sich alsbald und gemäß eines 45° Winkels zu einer Kammer. Zwischen den Kammern führen acht Gänge auf das Zentrum der Architektur, zu einer gemeinsam eröffneten Leerstelle, die von einem Opaion oder Auge in der Kuppel ins Licht gesetzt ist.
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Lara Favaretto baut skulpturale Sparbüchsen (z.B. spendeten wir schon in Liverpool 2016) und mit den Libellen von John Knight könnte man feststellen, ob sie ordentlich aufgestellt wurden.
In Münster installiert Nicole Eisenman eine mehrfigurige Brunnenanlage inmitten der Promenade. Das Ensemble aus fünf überlebensgroßen Figuren aus Bronze oder Gips ist locker um ein Wasserbecken gruppiert. Die unbekleideten Figuren mit voluminösen Proportionen, die nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sind, nehmen unterschiedliche Haltungen ein. Erzählerische Momente begleiten die zwanglose Szenerie: Eine ihre Nacktheit selbstbewusst zur Schau stellende Figur streckt sich inmitten des Wassers dem Himmel entgegen, während die anderen um das Becken abhängen, ein Sonnenbad nehmen oder versunken ins spiegelnde Nass blicken. Aus drei Körpern rinnt Wasser, während kleinteilig modellierter Pilzbewuchs zu Füßen einer Figur sprießt. Wie der Farbauftrag in Eisenmans Bildern variiert die Textur der Figuren.
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Die Enthauptung einer Figur aus Nicole Eisenmans Skulptur-Projekte-Beitrag „Sketch for a fountain“ sorgt international für Aufsehen.
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Priviliged Points von Nairy Baghramian
Die Iranerin Nairy Baghramian stellt einen Bausatz für eine Bronzewurm bereit. Auf dem Vorplatz des Erbdrostenhofs sind schon drei Teile probeweise zusammengestellt, auf dem Hinterhof liegen weitere, noch unlackierte Teile herum. Der Käufer kann das Werk vollenden lassen (oder auch nicht).
Vor zwei Jahren hat Nairy Baghramian schon einmal Priviliged Points im Neuen Berliner Kunstverein ausgestellt.
An Wänden und Böden hat Baghramian sehr sparsam drei gebogene Objekte angebracht, die entfernt an jene schwungvollen Linien erinnert, mit denen man in Texten wichtige Stellen einkreist. „Priviliged Points“, „bevorzugte Stellen“ – so der Titel – ist aber keine Installation, die Sichtbares hervorhebt, sondern bei der die Umkreisungen selbst zum skulpturalen Objekt werden, das einen durchaus auch an Linien auf Gemälden Jean Miros oder der Skulpturen Hans Arps erinnern könnte. Sie scheinen bestimmte Stellen im Raum hervorzuheben, tatsächlich aber sieht man außer ihnen selbst nichts weiter.
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Nietzsche-Denkmal (H. Apelt) in Naumburg
In meinen Notizen zu einer Naumburg-Reise steht, dass mir auf dem Weg zum Hotel Nietzsche fast zum Verhängnis geworden wäre. Auf dem Neumarkt steht das Nietzsche-Denkmal von Heinrich Apelt. Das muss natürlich fotografiert werden. Dabei achte ich nicht auf den Rinnenbrunnen, der quer über den Platz verläuft. Ich knicke um, der rechte Fuß taucht schmerzhaft ins kalte Wasser. Als wir am Abend nochmals über den Platz laufen – ich zum Glück ohne Krücken – ist diese gefährliche Rinne gesichert und abgedeckt.
Nietzsches Felsen (Justin Matherly) in Münster
Nietzsches Lehre von der Ewigen Wiederklehr ist aus der kreisenden Bewegung seiner Gedanken entstanden. Ihm gelingt nicht, ihren Kreisverkehr anzuhalten und sich auf ein erlösendes Prinzip festzulegen. Warum dann nicht gleich die Bewegung der Gedanken zum Weltprinzip machen? Hier meldet sich das Thema der Erschöpfung, das sich nach einem jubelnden Akzeptieren sehnt.
(Henning Ritter)
Im Vordergrund: Unteilbares Deutschland (Anni Buschkötter, 1960)
Wie vom Himmel gefallen wirkt Matherlys Skulptur auf der Grünfläche der Promenade. An mehreren Stellen sind Brüche und Löcher im Material zu sehen. Die Gehhilfen treten mal deutlich hervor, mal verschwinden sie ganz im grauen Material. Als Readymades, Objekte aus dem alltäglichen Leben, übernehmen sie die Funktion des Sockels und sind selbst Teil der Skulptur. Mit ihnen führt der Künstler ein Maß ein, das eng mit dem menschlichen Körper in Beziehung steht. Einige der Gehböcke dieser Skulptur sind nicht neu und stammen aus der weiteren Umgebung von Münster. Trotz ihrer Massivität strahlt die Skulptur eine Leichtigkeit aus, scheint wie über der Erde zu schweben.
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Sils Maria – für Nietzsche ein Ort der Erleuchtung
Christian Odzuck (Jg. 1978) war nur Insidern bekannt, als ihn Kasper König von den Skulptur-Projekten nach Münster einlud. Der Düsseldorfer war genau der Richtige, denn er benutzt Bauteile von abgerissenen oder abzureißenden Gebäuden und entwickelt daraus eine neue Architektur. In Münster rekonstruierte er mitten in einer Brache die kolossale Eingangssituation mit einem übermächtigen Pylon der ehemaligen Oberfinanzdirektion. Das Ergebnis ist ein absurdes Bauwerk.
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Das Dumme ist ja, dass diejenigen Skulpturenfreunde, die das abgerissene Gebäude der ehemaligen Oberfinanzdirektion (OFD) Münster nicht kannten, nur die halbe Freude an dem Werk „OFF OFD“ von Christian Odzuck haben werden. Denn sie haben es nicht vor dem geistigen Auge, dieses 44 Meter hohe, mächtig und zugleich schlank wirkende weiße Bürohaus, das sich in Form eines Blitzes mit 150 Metern Länge durch die Grünfläche an der Andreas-Hofer-Straße zog.
(mehr hier in den Westfäälischen Nachrichten von Ellen Bultmann)
Zuerst schauen wir uns nach alten Bekannten um.
Aus meinen Aufzeichnungen am 3. August 2017:
Gegen 15.00 Uhr sind wir in unserem Münsteraner Hotel. Das Wetter ist prächtig. Ein dreistündiger Spaziergang durch die Stadt erinnert an unseren Besuch hier vor 10 Jahren.
Im Westfälischen Kunstverein ist Tom Burrs „Surplus of Myself“ zu sehen. Im Flyer steht, dass Burr sich das Formenvokabular der Minimal Art zunutze macht. Er lädt aber diese referenzlosen Formen und Materialien mit Konnotationen auf, die sich mit Details seiner eigenen Biografie beschäftigen. Das geht ja gut los. Ich prahle ja auch nicht damit, dass ich meine Fotoalben strukturell einfach gestalte (Anordnung der Bilder in geometrischen Formen wie Quadrat oder Rechteck), aber sie in den Kontext meiner Biografie (Urlaubsreisen oder Kunstspaziergänge) stelle.
Ringe von Donald Judd an den Ufern des Aasees
Haben Sie eine „Lieblingsskulptur“, Herr König?
König: Da möchte ich die Betonringe aus dem Jahre 1977 von Donald Judd nennen. Der eine Ring passt sich dem schrägen Wiesengelände an, der innere Ring greift wie eine Wasserwaage die Fläche des Aaseees auf.
Giant Pool Balls (Claes Oldenburg)
Für die fünfte Auflage der „Projekte“ wurden wieder fast alle im Stadtraum verbliebenen Arbeiten auf Vordermann gwebracht. Die meisten galt es nur von „Parallelwerken“ wie Gras und Farbe zu befreien. Eine spannende Frage wird sein, wie lange die Sprühdosen-Underdogs ihren tierischen Markierungstrieb unter Kontrolle halten können. An den Billard-Kugeln von Claes Oldenburg (heute ein Wahrzeichen der Stadt) musste seinerzeit ein Sicherheitsdienst aufgestellt werden, um wenigstens Katalogfotos machen zu können.
(Gerhard H. Kock)
Das Foto der schneeweißen Billardkugeln entstand am Abend des 3. August. Als wir am nächsten Tag vorbeischlenderten, waren die Kugeln schon wieder mit deftigen Parolen beschmiert.
Der Pier von Jorge Prado ist ein beliebter Treffpunkt.
Ilya Kabakov, Blickst du hinauf und liest die Worte
Mein Lieber! Du liegst im Gras, den Kopf im Nacken, um dich herum keine Menschenseele, du hörst nur den Wind und schaust hinauf in den offenen Himmel – in das Blau dort oben, wo die Wolken ziehen – das ist vielleicht das Schönste, was du im Leben getan und gesehen hast.