Es regnet noch und noch. Meine Seele ist nass vom Regnen-Hören.
(Pessoa, 141)
Einfach den Regen nicht beachten, es gibt genug Orte in Lissabon, die uns interessieren und wo Regen nicht stört:
Museu Nacional de Arte Contemporanea
Centro de Arte Moderna
Museu Colecça-o Berardo
Und es gibt Orte in Lissabon, wo Regen und Nebel einfach dazu gehören:
Wenn auf unserer Terrasse kaum noch etwas zu sehen ist, nur ab und zu der durchdringende tiefe Ton der Nebelhörner der ausfahrenden Kreuzfahrtriesen, glaubt man am Bug der Titanic zu stehen und fängt an, nach der Rettungsweste zu suchen.
Man findet aber nur ein Glässchen Portwein und ist auch zufrieden.
Der Friedhof der Vergnügungen ist erst bei dichtem Nebel und Nieselschwaden so richtig anheimelnd. Vor allem, wenn wir dann noch von einem kleinen streunenden Köter angekläfft werden, der wahrscheinlich schon seit einigen Jahren die Gruft seines Herrchens bewacht.
Wieder näherte sich der Köter, diesmal mustert Raimundo Silva ihn argwöhnisch, wer weiß, vielleicht hat er die Tollwut, einmal, er erinnert sich nicht mehr recht wo, las er, ein Anzeichen für jenes schreckliche Übel sei der gesenkte Schwanz, und dieser da hängt recht schlaff, doch das mag von der schlechten Kost herrühren, bei dem Tier kann man ja die Rippen zählen, und ein Anzeichen, ein allerdings bestimmendes, ist auch der unheilvolle Geifer, der dem Tier von den Lefzen und Reißzähnen trieft, nun, wenn diesem Köter der Speichel rinnt, so sicherlich angeregt durch den Duft der hier entlang der Escadinhas de Sao Crispim in Vorbereitung befindlichen Garspeisen.
(Jose Saramango – Geschichte der Belagerung von Lissabon)
Wir haben es noch nicht geschafft, mit der Staßenbahn zu fahren. Ja, wir wissen, dass man eigentlich als Tourist mit diesen alten Dingern gefahren sein muss, aber das wissen nicht nur wir. Die quietschenden Dinger sind immer so voll, das müssen wir uns nicht antun. Heute, am Friedhof der Vergnügungen, glaubten wir schon, dass wir es packen könnten, denn dort ist die Endstation der Linie 28, deren Nutzung in den Reiseführern als billige Variante einer Stadtrundfahrt angepriesen wird. Eine volle Straßenbahn kommt an, alle steigen aus, denn es ist Endstation, aber die gehen nicht etwa auf den Friedhof oder zu sonstigen Zielen in der Nähe, nein, sie stellen sich wieder an, um erneut einzusteigen. Das ist Missbrauch öffentlicher Verkehrsmittel. Die Einheimischen werden die 28er Bahn sicher meiden, wenn sie es können. Ich nutze ja auch nicht den 100er Bus in Berlin.
Um die Wonnen und Schrecken der Geschwindigkeit zu empfinden, benötige ich weder Automobile noch schnelle Züge. Mir genügen eine Straßenbahnen und das erstaunliche Abstraktionsvermögen, das ich besitze und pflege.
In einer fahrenden Straßenbahn erlaubt mir meine analytische Kapazität,
die Vorstellung, die ich von der Straßenbahn und der Geschwindigkeit habe, zu trennen, ja, so gänzlich zu trennen, dass sie zu zwei verschiedenen Real-Dingen werden. Ist dies geschehen, fahre ich nicht mehr in der Straßenbahn, sondern in ihrer reinen Geschwindigkeit.
(Pessoa, 75)
Ach, übrigens war Pessoa bis 1984 auf dem Friedhof Prazeres beerdigt.